Nachdem Narnia ja meinte, ich soll mal von meiner Böckchen-Vergesellschaftung (4 + 1) erzählen, werde ich das hiermit gerne tun.
Wohlgemerkt: Das gibt hier nur meine ganz persönliche Meinung und Erfahrung wieder.
Das heißt nicht, dass es überall so ablaufen muss. Einem kompletten Meeri-Neuling würde ich das nicht anraten.
Kurze Vorgeschichte:Nachdem Finn ja unter so traurigen Umständen gestorben ist, wollte ich zunächst kein weiteres Tier mehr bei mir aufnehmen, zumal von Anfang an ja nur 4 Jungs geplant waren und Nummer 5 durch Schockverliebtheit bei mir eingezogen war.
Meistens kommt es ja anders als man denkt, so auch hier.
Ich habe vor ein paar Wochen durch Zufall von einem Arbeitskollegen erfahren, dass bei seiner Schwester ein junges Böckchen in Einzelhaft sitzt und sie nicht so recht weiter weiß, weil sie bereits ein Pärchen haben. Das leidige Thema: Böckchen wurde als Weibchen verkauft. Dann gab es natürlich Krach zwischen den beiden Jungs um das Weibchen und das wars. Der arme Kleine hatte ein paar üble Bisswunden davon getragen, wurde aber gut vom TA versorgt und kastriert wurde er auch noch. Das hat natürlich an der Situation wenig geändert. Ob ich nicht jemanden wüsste, der den Kleinen nehmen könnte…
Die Ausgangssituation war nicht perfekt.
Junges Böckchen (ca. 3 Monate) -> mögliche Rappelphase, auch noch Weibchenkontakt und es hat sich schon mal mit einem anderen geprügelt. Da weiß man ja nicht, ob das nicht von vorne herein sein Charakter ist.
Dazu die eigene Gruppe, die vor Kurzem erst ihren Chef verloren hat. Ja, Finn war auch noch das Chefschwein ‚seufz‘. Dementsprechend unruhig war es von Zeit zu Zeit.
Und natürlich der Gedanke, dass ich ja genau genommen bei 4 bleiben will.
Dafür sprach, dass der Kleine ein Zuhause braucht und ich in den kommenden Wochen Urlaub hatte. Zeit zum Beobachten hätte ich also genug.
Trotzdem… das konnte schief gehen.
Tja, Verstand ist eine Sache, Herz eine andere und spätestens bei dem Foto war es um mich geschehen. Ein wunderhübscher roter Rexbub!
So einen wollte ich schon immer mal in meiner Gruppe haben.
Also war auch die alles entscheidende Frage beantwortet:
Ist mir dieses Kerlchen das Risiko wert meine Gruppe zu verlieren und notfalls mehrere Gehege mit Kleingruppen aufzustellen?
Die Antwort war ein deutliches ‚Ja‘ und Jamie zog bei mir ein.
Die Ausgangssituation:4qm Eigenbau + 16qm Auslauf tagsüber in Innenhaltung.
Bitte jetzt nicht um den 1qm zu wenig diskutieren! Ich weiß dass das inzwischen überall so genau genommen wird, finde aber, dass auch die Gehegeeinrichtung und die Platzrelativierung mit rein spielen.(Außerdem bin ich jetzt ja inzwischen wieder bei 4 Tieren und so soll es bleiben.)
Die Einwohner:Loki (4,5 Jahre, erfahrenes Erzieherschweinchen mit sehr liebem Charakter und 0 Interesse daran Chef zu werden)
Diego (4,5 Jahre, konnte nicht mit jedem, hatte aber ein entspanntes Wesen, so lange er genug zum Fressen vor der Nase hatte. Streitbereit, wenn es um die Rangordnung geht)
Milo (1,5 Jahre -> kam als gaaanz liebes Kerlchen zu mir, ist inzwischen drauf und dran alle anzugehen, die ihm auf der Chef-Karriereleiter im Weg stehen)
Snow (2,5 Jahre, freches, sehr neugieriges Wesen. Eigentlich ein ganz Lieber, aber mit Dickschädel und nach Finns Tod auf direktem Weg zum Chefschwein)
Die VergesellschaftungIch habe direkt im Gehege vergesellschaftet. Dazu aber vorher noch Großreinigung gemacht. Also Fleece-Bereich komplett ausgetauscht, Einstreubereich frisch gemacht und dabei alles auch nochmal gründlich ausgewaschen. Dann gab es noch ein paar Waschstraßen mehr, um Den Tieren Versteckmöglichkeiten als Ruhezonen zu bieten, die auch die Alten noch nicht kannten. Dazu ein paar Heuhaufen an verschiedenen Stellen im Fleecebereich (Gibt es sonst nur im Einstreu) und dann überall Frischfutter.
Also ein Paradies für kleine Fressmaschinen.
Zuletzt kam Jamie dazu.
1. Tag:Erste Reaktion: Nichts! Rein gar nichts!
Die Alten haben weiter gefuttert und der Kleine hat sich verdutzt umgeschaut.
Er ist dann gleich neugierig durchs ganze Gehege gelaufen.
Erster Eindruck: mutiges Wesen, starker Charakter… so ganz wohl war mir nicht.
Ich musste dann aber doch schmunzeln als sich der kleine Mann frech zwischen die Großen gequetscht hat, um mit am Salathaufen zu fressen. Nicht, dass es nicht genug andere Futterstellen gegeben hätte, aber nein, es musste ja für alle die selbe sein.
Dann haben sie ihn entdeckt.
Erste Reaktion: Sichtliche Verwirrung, gefolgt von eingehendem Beschnuppern von allen Vieren. Die Vergesellschaftung hatte begonnen.
Der Kleine rennt zeternd weg, die anderen sind bromselnd und quiekend hinterher.
Popo schnüffeln, aufreiten, Zwicken, jagen… alles war dabei.
Wenn 2 gleichzeitig bei Jamie waren, haben sich prompt die Alten in die Haare bekommen. Es wurde lauter, es wurde gescharrt, gefaucht, geklappert… nicht schön, aber außer meinen Nerven war alles gut. Das ist normal. Da müssen sie durch.
Nach einer Weile war der erste Spuk vorbei. Jamie hatte sich in eine Waschanlage verzogen und die anderen haben ihn wohl vergessen. Es war wieder alles wie immer. Es wurde geruht und gefressen.
Ein paar Stunden später ging es dann richtig zur Sache.
Lautes Gezeter zwischen Diego und Milo. Die Beiden springen sich an. Snow geht dazwischen. Milo greift Snow an und wirbelt mit ihm durchs Gehege, bis Loki dazwischen geht. Dann ist wieder Ruhe.
Jamie wird weg gezwickt, wann immer er einem Schwein zu nahe kommt. Der Kleine hat dann immer herzzereißend geweint, Verletzungen gab es bei Keinem, aber verglichen mit früheren Vergesellschaftungen war es heftig und ja, ich hatte Angst.
Jamie musste auch ganz allein abseits der Gruppe fressen. Es hätte auch sein können, dass sie ihn gar nicht akzeptieren.
Ich habe mir das Ganze dann noch eine Weile angeschaut und trotz allem gesehen, dass sich niemand ernsthaft verletzt und auch keiner pausenlos gejagt wurde. Darum habe ich beschlossen den Rest des Abends nicht mehr nach zu sehen und sie einfach mal machen lassen.
2. Tag:Die Nacht war trotzdem kurz, weil ich mir so Sorgen gemacht habe.
Bin dann sehr früh aufgestanden und sofort zum Gehege für die Bestandsaufnahme.
Erster Gedanke: Alle noch am Leben (Scherz!
).
Also alle man näher angeschaut.
Loki: Entspannt wie immer, nicht mal ein Kratzer.
Milo: Ich finde ein paar Fellsträhnchen im Gehege. (Er ist Peruaner, da kann ein Angreifer leicht was raus zupfen)
Snow: Kleine Schramme an der Nase, harmlos.
Diego: Etwas Blut am Ohr, kleiner Riss, aber auch harmlos.
Jamie: Guckt mich fröhlich vom Heuhaufen an und schert sich nicht drum, dass die anderen in seiner Nähe wuseln. Zumindest er hat den Umzug und die neuen Mitbewohner schon mal akzeptiert.
Der zweite Tag wird aber schlimmer.
Ständig ist Geschrei und Gerumpel im Gehege. Irgendeiner muss immer streiten oder den Kleinen zurecht weisen. Milo und Diego können sich gar nicht mehr leiden. Wenn sie sich sehen, gehen sie aufeinander los. Aber auch hier ist auf Snow Verlass. Ich bin stolz auf mein neues Chefschwein. Jamie hängt inzwischen ständig bei Loki herum. Wundert mich nicht. Loki hat schon einige meiner Jungs erzogen. Der macht das schon.
Aber es geht scheinbar endlos weiter.
Am Ende des Tages bin ich mit den Nerven komplett am Ende.
Jamie ‚heult‘, Milo hat einen kleinen Biss am Rücken und Diego hat noch eine Schramme an der Nase. Ich fange an zu zweifeln, obwohl mein Bauchgefühl die Lage noch immer als überstehbar sieht.
Grund: Die Abstände zwischen den Angriffen werden größer. Es fressen öfter alle 5 friedlich nebeneinander. Jamie wirkt locker. Es ist nicht so als würde er sich nichts mehr trauen. Tatsächlich muckt er auch mal auf, wenn ihn einer an geht. Er könnte natürlich jetzt auch zum Angreifer werden. Stark genug sieht er aus. Abwarten…
3. Tag:Augen zu und durch: Die nächste Nacht, der nächste Morgen…
Bestandsaufnahme: Noch etwas Fell im Gehege, sonst nichts.
Milo und Diego halten nach Möglichkeit Abstand zueinander.
Die anderen sind entspannt.
Alle fressen wie gewohnt, kommen zu mir an den Gehegerand und betteln nach Futter. Jamie schaut sich das schon mal ab und holt sich sein erstes Leckerli aus der Hand.
Keiner geht sich komplett aus dem Weg. Es geht aufwärts.
Die Ruhepausen werden noch länger.
Wenn das Geklapper wieder los geht, steht Snow sofort bereit um zu schlichten.
Jamie wird frecher und geht jetzt auch Loki an. Der meistert das aber super. Kleiner Nasenstubser, mal ein kurzes Zwicken in die Seite und sie fressen wieder gemeinsam weiter.
Milo sucht ab und zu Streit bei allen. Er will wohl in der Gruppe nicht absteigen oder gar noch etwas höher hinaus. So richtig geht aber keiner mehr drauf ein. Auch Diego nicht.
Ich trau mich das Gehege zum ersten Mal zu reinigen und die Futterstellen so zu legen, wie sie normalerweise sind.
Kein weiterer Streit. Langsam kehrt Alltag ein, auch wenn noch der ein oder andere Zwischenfall passiert. Blut fließt keins mehr. Die Streitereien sind harmlos. Jamie zeigt inzwischen mehr und mehr Übermut. Popkornt, schaut sich sein neues Heim noch etwas genauer an und fängt an sich die Bettel-Tricks von den Alten abzuschauen. Langsam entspanne auch ich mich und freue mich über das neue Familienmitglied g.
Nach einer Woche Zusammenraufen:Am Wochenende kommt dann die letzte große Bewährungsprobe: Großputztag.
Heißt, sie müssen sich auf die Hälfte des Geheges reduzieren, während ich jeweils die andere sauber mache. Das könnte nochmal Stress geben, wenn sie so dicht aufeinander rücken müssen. Ich bin nervös, aber was passiert? Alle 5 liegen Seite an Seite auf einer Minifläche und warten, dass ich fertig werde.
Vergesellschaftung geglückt!
Inzwischen sind ja ein paar Wochen seit dem Einzug vergangen und Diego ist unerwartet gestorben. Milo muckt jetzt wieder ein bisschen auf, wird aber von Snow und Loki zurecht gewiesen. Ansonsten ist alles ruhig. Ich könnte nicht mal behaupten, dass ein Schwein den Verliererposten einnehmen müsste. Alle sind harmonisch aber so schnell brauch ich so eine Vergesellschaftung jetzt auch nicht mehr. Dieses Mal hab ich mich schon mehr gesorgt als die letzten Male, die weit ruhiger und entspannter abgelaufen sind.
So, das war jetzt ausführlicher, als ich gedacht hätte.
Sorry, für den langen Text!
Ich hoffe ich konnte halbwegs verständlich rüber bringen, wie das bei mir abgelaufen ist.