Autor Thema: Hyperkaliämie, Hypokaliämie - Kalium-Haushalt beim Meerschweinchen  (Gelesen 7147 mal)

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Vio

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Hat bereits einer Erfahrungen mit einer nachgewiesenen Hyperkaliämie beim Meerschweinchen oder einer Hypokaliämie? Oder auch mit einem Verdachtsfall?

Meinen Recherchen nach können die Symptome ähnlich sein: Lähmungen (z.B. zunehmendes Hinken bis Nachschleifen der Hinterbeine), Unwohlsein, Übelkeit, Apathie (Herz im Blick behalten!), Muskelkrämpfe etc.
Das kann bis zum Tod führen.

Kalium ist u.a. wichtig für die Muskeln, zu wenig und zu viel stellt ein Problem dar. Nicht nur auf Dauer,  auch bei akuten Zuständen.

Eine Hyperkaliämie ist eine zu hohe Menge an Kalium im Blut, z.B. durch die Auflösung von Zellen oder durch Medikamente wie ACE-Hemmer, Cotrim als AB u.a.
Man behandelt schulmedizinisch, in dem man die Ausscheidung von Kalium fördert (Furosemid) dazu auch Infusionen (Ringerlactat, NaCl umstritten bei Hyperkaliämie), Injektion von Calciumgluconat und Dinge, die dazu führen, dass mehr Kalium in die Zellen aufgenommen wird (Glucose, Natriumbicarbonat/Natron oder falls man das gerade nicht hat auch Natriumcarbonat/Soda/Backpulver (in jedem Fall auch den Blick auf den Säure-Base-Haushalt!) etc.)

Eine Hypokaliämie bezeichnet zu wenig Kalium im Blut, das kann z.B. nach einem starken oder chronischen Durchfall der Fall sein oder durch Kalium-ausscheidende Diuretika wie Furosemid.
Beim Meerschweinchen versucht man dann wohl, Kalium über die Nahrung zuzuführen, z.B. mit Gräsern, aber auch Banane oder Kartoffeln werden von den TÄ empfohlen. Ein hochwertiger, natürlicher Salzleckstein könnte auch hilfreich sein. Das sollte man ggf. im Blick/Hinterkopf haben, wenn man Schweinchen entwässern muss.

Naturheilkundlich gibts natürlich auch noch andere Ansätze, da wird ja auch weniger symptomatisch sondern ganzheitlich gearbeitet. Da möchte ich aber nun gar nicht drauf eingehen. Im akuten Fall wenn es um Leben und Tod geht ziehe ich in der Regel aber eine schulmedizinische Behandlung vor und schaue danach in Ruhe, was ich naturheilkundlich machen oder wie ich die schulmedizinische Behandlung ergänzen kann.
Handelt es sich um einen chronischen Verlauf/Fall, so würde ich in jedem Fall auch ganzheitlich heran gehen.

Feststellen kann man sowas mit einem Bluttest, die Referenzen für Kalium scheinen aber umstritten aufgrund der Hämolyse des Blutes, die zu falsch hohen Werten führen kann.
Ich habe als Referenzen 4,5-8,8 mg/dl gefunden (http://v17.laboklin.de/pages/html/de/leistungsspektrum/referenzwerte/referenzwert_kanin.htm), in einer älteren Quelle wurde die untere Grenze aber auch bei 3,8 mg/dl angegeben.
Daher ist es schwierig, das einzuschätzen. Ich werde mal in Zukunft Kalium-Werte sammeln und vergleichen. Ein nicht entwässertes Meerschweinchen hatte z.B. einen Wert von 4,5 mg/dl.
Wie schnell und wie viel würde Furosemid den Kaliumspiegel im Blut senken können?

Ich weiss leider noch zu wenig darüber, werde in Zukunft da auch noch mehr Infos einholen.
*Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt.
Aber die ganze Welt verändert sich für dieses eine Tier.*

Liebe Grüße von Vio und der Schweinebande :mms:

Vio

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Ich beschäftige mich aktuell mit dem Thema aufgrund eines aktuellen Falls:

Wir hatten hier bei guten Freunden letzte Woche einen Verdachtsfall von Hyperkaliämie nachdem 3 Meerschweinchen mit dem AB Azithromycin gegen Clamydien (Verdacht) behandelt wurden. Es gab nach Einsatz der Behandlung Lähmungserscheinungen/Muskelschwäche bei allen 3 Tieren, wobei die Geschichte länger ist. Ich werde sie mal noch ausführlich hier erzählen, wir möchten aber noch abwarten und Infos einholen.
Das Meerschweinchen, welches gleichzeitig mit Dimazon behandelt wurde, aber kränker war, war weniger betroffen als die anderen Tiere. Da das keine gängige Nebenwirkung vom Zithromax ist und für einen seltenen Zufall ist es doch unwahrscheinlich, dass alle 3 Tiere betroffen sind, haben wir an eine Hyperkaliämie gedacht.
Es gibt noch mehr Gedanken, die wir uns gemacht haben, das möchte ich dann aber im anderen Thread ausführlicher schreiben. Der Grundgedanke war, dass die Erreger absterben, wobei ggf. viel Kalium frei werden könnte. Das war aber nur eine vage Hypothese, weil Kalium eine Rolle in verschiedenen Stadien der Clamydien spielen könnte. Dazu dann im anderen Thread mehr, ich muss mehr recherchieren. Es ist definitiv kein normaler Fall...

Aus Verzweiflung, da die Lähmung weiter fortschritt und nachts kein TA hier den Kaliumspiegel bestimmt hätte und es zudem dem mit Furosemid-behandelten Tier besser ging und dem Tier, welches Metacam bekommen hatte schlechter (NSARs können den Kalium-Spiegel im Blut erhöhen), wurden die beiden anderen Tiere dann auch mit Dimazon behandelt. Da die Halter nichts anderes sonst da hatten, haben sie gleichzeitig Glukose (Dextro-Energy) und Backpulver (Natriumcarbonat) gegeben, sowie viel Flüssigkeit über Fencheltee (weil die Halter keine Infusion setzen konnten bzw. kein Ringer Lactat da gehabt hätten). (Ob eine orale Gabe von Glukose und basisch wirkenden Substanzen ausreicht, ist absolut fraglich, besser wäre eine Infusion mit Glukose gewesen.)
1,5 Std nach der Dimazon-Gabe ging es den beiden Tieren einen Ticken besser, wo es sich vorher über 5 Std nur verschlechtert hatte. Ob das so schnell etwas bewirkt hätte bei einer Hyperkaliämie kann ich nicht sagen, vielleicht war es also nur zufällig und ist trotz Dimazon besser geworden.


Mittags dann war in der Klinik der Kalium-Wert zu niederig. Wäre er nachts zu niedrig gewesen und das Problem eine Hypokaliämie gewesen, dann hätte es den Tieren dann eher schlechter gehen müssen.  Zudem - sie hatten keinen Durchfall etc., wieso hätte der Kaliumspiegel so absinken können?
Ob all das, was getan wurde, ausreicht, um den Kaliumspiegel so zu senken, kann ich nicht einschätzen.
Vielleicht lag es ja auch gar nicht am Kalium und ist so besser geworden, zufällig zusammen mit der Dimazon-Gabe, die nicht geholfen hätte dann, ggf. aber auch nicht geschadet. Die Tiere haben 1/4 einer 10 mg Tablette Dimazon bekommen, einmalig.

Ggf. lag es also auch an etwas anderem, wir wissen es einfach nicht. Nieren-Blutwerte etc. waren okay, Details dann auch im anderen Thread, würde sonst hier zu lang.

Was wir wissen ist: den Tieren ging es wirklich richtig schlecht, sie lagen schlapp herum und schliffen die Hinterbeine hinter sich her, bis es Dimazon gab. Es könnte an der Erreger-Abtötung gelegen haben, da Azithromyzin sowas einfach so normal nicht auslöst, auch die TÄ konnten nichts dazu finden und für eine seltene Nebenwirkung macht es keinen Sinn, dass alle 3 Tiere betroffen waren, die sich vermutlich zudem mit dem selben Erreger identifiziert haben.
Ein Abstrich auf gut Glück am Auge konnte keine Clamydien nachweisen, das Tier war da aber auch schon mit AB vorbehandelt und hatte massives Augentränen und eine Pneumonie, die so schlimm war, dass es schon um Euthanasie ging. Enrofloxacin wirkte nicht, Azithromycin dagegen wirkte sehr effektiv.
Aber was es genau ist, wissen wir dennoch nicht. Die beiden anderen Tiere zeigten beide ebenfalls Pneumonie-Symptome und sprechen auch auf Azithromycin an, was aber jetzt vorerst abgesetzt wurde.
Das eine Tier wurde schon Wochen zuvor behandelt und zeitgleich (Es ist eigentlich also eben eine längere Geschichte, aber das schildere ich mal im Detail eben in einem eigenen Thread).

Eine Überdosierung vom Azithromycin /Zithromax ist auszuschliessen, die Dosierung mit 10mg/kg 1 x tgl entspricht der empfohlenen Dosierung verschiedener TÄ und Heimtierspezialisten und hält sich sogar unter der Dosierung in manchen Lehrbüchern mit 15-30mg/kg.


Hier ein paar Videos dazu:


https://youtu.be/b8_yJCOPavQ
Paula um 20 Uhr, 24 Std nach der ersten Azithromycni/Zithromax-Gabe (tagsüber kein Hinken, aber sie wirkte etwas schlapp und hatte wenig Appetit), direkt nach der 2. Gabe.

Sie hat danach Metacam bekommen, weil man dachte, sie hätte sich vielleicht vertreten. Kurz danach fing auch das andere Schweinchen zu hinken an.
(Das dritte Tier, welches mit Dimazon zusätzlich behandelt wurde, hatte das AB schon zum ersten Mal 3 Wochen zuvor und da hatte man beim leichten Hinken angenommen, es sei in ein Brombeerblatt getreten und deswegen habe die Pfote geschmerzt. Bei der nun zweiten Behandlung dieses Tieres hatte es keine Symptome, ggf. weil die Erreger nicht mehr so arg vertreten waren? Es wurde nicht mit Dimazon behandelt dieses Mal, hatte aber die Tage zuvor Dimazon erhalten und der Kaliumspiegel könnte dadurch geringer gewesen sein...
Alles nur raten und Hypothesen, so gar nicht mein Fall. Aber was soll man tun, es ist schwierig, so Dinge zu belegen bzw. eindeutig nachzuweisen.)

Beide Mädchen haben zu diesem Zeitpunkt aber immer noch mal wieder noch ganz wenig Heu geknabbert.

Um Mitternacht wurde das Rotlicht ausgemacht, falls eine Vergiftung vorliegt und es wurde Huminsäure und Pektin gegeben, um Gifte zu binden.

https://youtu.be/PWu14mK45Nw
Paula um 1 Uhr nachts, das Metacam oder Rotlicht, in dem sie lag, schien den Zustand zu verschlimmern oder es ist einfach so schlimmer geworden, beim anderen Mädchen blieb es bei einem hoppelnden Gang der Hinterbeine. Beide Tiere konnte nicht mehr sitzen.


Um 2 Uhr gab es Dimazon. Ich war die ganze Nacht bis 6 Uhr morgens in Telefon-Kontakt mit den Tierhaltern, die zudem über WhatsApp mit einer TÄ schreiben konnten, welche sich auch früh morgens meldete.
Beide Schweinchen lagen nur noch schlapp herum und wollten zu dem Zeitpunkt auch nichts mehr Fressen.


https://youtu.be/sGUiW7FIO-Y
Um 3.30 Uhr konnte das eine Mädchen langsam wieder besser sitzen, das andere, Paula schliff die Beine nicht mehr ganz so arg.


Um 6 Uhr morgens schienen beide Mädchen etwas besser und knabberten auch wieder am Heu.

Um 13 Uhr wurden die Kalium-Werte bestimmt, die TÄ haben ebenfalls eine Hyperkaliämie im Auge gehabt. Die Werte lagen mit 4,0 und 4,2 eher unter der Norm - nun war das aber auch, nachdem versucht wurde, den Kalium-Spiegel zu senken. Nächsten Freitag werden nochmal die Werte bestimmt, um zu schauen, welche Werte sie generell im normalen Zustand haben. Die TÄ in der Klinik waren so irritiert, dass sie sich nicht mal getraut haben, eine Infusion mit Ringer zu setzen. Daher haben die Mädchen weiter Tee erhalten, den Paula auch gierig getrunken hat, das andere Mädchen eher mit weniger Begeisterung genommen hat. Banane war übrigens auch die ganze Nacht im Angebot und wurde aber abgelehnt.

Ein Tag danach:
https://youtu.be/RKov4YDBayw

Die Mädels hatten da noch leichte Aufgasungen, Paula, die stärker von der Lähmung/Muskelschwäche betroffen war, hatte eine Blinddarmaufgasung. Sie haben aber gefressen und wurden mit Colosan und Simeticon (aus Lefax intens) behandelt. Die Aufgasung wurde danach langsam besser. Wenn die Darmmuskeln ebenfalls nicht richtig arbeiten konnten, macht das ja auch irgendwie Sinn so gesehen Sinn. Paula, der es schlechter ging, erhielt mit zeitlichem Abstand weiterhin Huminsäure und Apfelpektin, das andere Mädchen gar nicht


2 Tage danach:
https://youtu.be/jDximv-muSI

3 Tage danach:
https://youtu.be/8izf3CTPwzc

Da wir wirklich nur Hypothesen oder einen Verdacht haben zum jetzigen Zeitpunkt, möchte ich vor allem Fragen, ob jemand mit einer Hyperkaliämie bereits Erfahrungen hat. Oder vielleicht eine Idee, was es sonst gewesen sein könnte!
Den genauen Fall mit Details, Bildern und Infos werde ich nach und nach zusammenstellen und auch nochmal hier irgendwo veröffentlichen, wenn unsere Freunde ihre Aufzeichnungen fertig haben, das kann aber Februar werden. Die TÄ der Halter möchten ggf. auch noch mit Spezialisten Rücksprache halten.
*Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt.
Aber die ganze Welt verändert sich für dieses eine Tier.*

Liebe Grüße von Vio und der Schweinebande :mms: