Autor Thema: Stereotypisches Verhalten bei zuvor schlecht gehaltenen Meerschweinchen  (Gelesen 5985 mal)

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Vio

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Hallo ihr Lieben :-)

Eine Freundin fragte mich, ob es bei Meerschweinchen, die schlecht gehalten werden (in dem Fall gemeint ist: im kleinen Käfig, ggf. sogar alleine, ggf. mit viel Trockenfutter), später wenn sie in guter Haltung sind (in dem Fall gemeint: ausreichend Platz zum Flitzen, Artgenossen, ausreichend Nahrung mit Flüssigkeit wie Wiese, Blattgemüse und genug Heu) immer noch für die schlechte Haltung kennzeichnende stereotypische Verhaltensmuster aufweisen können.
Wie z.B. bei Pferden, die mit dem Kopf "weben" (so ist die Bezeichnung, gemeint ist ein hin und her wenden des Kopfes), weil sie jahrelang in einer Box standen und sich gelangweilt haben und auch Bewegungsdrang hatten und nun im Aktivstall aus Gewohnheit immer noch weben. Oder koppen etc...

Beim Meerschweinchen ist mir auf Anhieb nicht viel eingefallen ausser Gitterstäbe nagen vorher und nachher - da vermutlich keine Stäbe mehr vorhanden - vielleicht noch an anderen Gegenständen nagen. Trinkflasche missbrauchen? Futter horten, besonders retten etc. vielleicht noch...
Aber so richtig deutlich haben meine Tiere das nicht mehr gemacht, zumindest nicht auf Dauer. Genau gezielt habe ich aber auch nicht drauf geachtet.
Kratzen vor Frust - hab ich nicht beobachtet. Sollen ja manche Tiere auch machen und auch zum Teil später beibehalten, von Meerschweinchen wüsste ich das jetzt bisher nicht...
Popcornen ist ja auch manchmal Stressabbau - aber auch Freude. Diesen Parameter finde ich schwer in dieser Beziehung zu bewerten... Die meisten Tiere popcornen hier nur, wenn sie noch jünger sind. Einzig Fillion hat viel gepopcornt und er hat auch sehr viel fröhlich geredet und ist umher gerannt und gesprungen - ich habe es, obwohl es ihm auch manchmal nicht gut ging mit seinem Kiefer, dann eigentlich durchgehend als positiv bewertet. Wenn er Schmerzen hatte, hat er aggressiv an Häuschen oder Brücken genagt, das wusste ich leider erst nach 1-2 Monaten, konnte aber so immer gut überprüfen, ob das Schmerzmittel ausreichte.
Meine Cüli hat auch noch nachher bei mir total gern Plastik gegessen und alles in diese Richtung angenagt, ich hab mich immer gefragt, wieso... 5 Jahre alleine im Käfig bei Heu und Körnern hauptsächlich - vielleicht an der Einrichtung aus Plastik oder der Käfigschale genagt?

Fällt euch etwas ein dazu? Konntet ihr etwas derartiges beobachten, was kurze Zeit oder vielleicht auf Dauer anhielt dann auch noch in guter Haltung?
*Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt.
Aber die ganze Welt verändert sich für dieses eine Tier.*

Liebe Grüße von Vio und der Schweinebande :mms:

Katharina

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    • Das Meerschweinchen Forum
Hallo, Vio! :winke:

Es ist ein bißchen schwer zu beurteilen, wann "Übersprungshandlungen" wie Kratzen, Putzen oder Knabbern zum Charakter und zum individuellen Stressabbau gehören und für das betreffende Tier "normal" sind...oder inwieweit das "krankhaft" ist, "erlernt" oder ein Stereotyp ist. Langandauerndes oder immer wieder vorkommendes Knabbern an der Einrichtung vom Gehege finde ich z.B. schon bedenklich. Langeweile oder dem Tier fehlt irgendetwas psychisch oder vielleicht von der Ernährung her.

Wenn die Weibchen in der Hitze sind, machen das manche Kastraten manchmal, dass sie etwas mehr als nur Probebisse an einem Häuschen oder so machen...dann würde ich sagen, es ist eine Übersprungshandlung und "normal".

Manches macht in Gruppen auch "Mode". Z.B. hatte ich hier jahrelang absolut Ruhe, was das Benagen von Möbelstücken, Gehegeeinrichtung, Kabeln und Plastiktüten betrifft - war davor nicht so. Dann fing ein Schweinchen, ein Neuankömmling, damit an...und andere haben es nachgemacht, die das zuvor noch niemals taten. Momentan - seit gut drei Jahren - ist wieder Ruhe damit.

Schlecht ernährte Meerschweinchen, die mal ums Futter raufen mussten, brauchen mehrere Wochen, bis sie sich daran gewöhnt haben, dass jetzt alles immer in ausreichenden Mengen da ist. In Extremfällen dauert es auch Monate oder Jahre, bis solche Meerschweinchen da gelassener werden. Bei Lilo hat es drei Jahre lang gedauert. Bei Zora zwei Jahre...

Zora war halb verhungert, als sie zu uns kam. Extrembeispiel aus den ersten Monaten: Zora zupfte ein winziges Heuhälmchen aus dem Heuberg, in dem alle anderen aus der Gruppe gerade waren und gemütlich und ganz entspannt drin herumlagen und futterten. Sie rannte mit dem Hälmchen meterweit durchs Gehege in ein Häuschen um das Hälmchen da zu verspeisen und kam dann wieder zurück um sich das nächste Heuhälmchen zu holen....mehrfach immer wieder die gleiche Tour.

Manche Futterstücke (Obst, Gemüse, Zweige) werden bei uns von fast allen gerne vom Futterplatz in die Häuschen verschleppt. Das ist aber weniger der Futterneid, sondern liegt daran, dass sie alle immer gerne ein Dach über dem Kopf haben, wenn sie fressen....nur bei Heu und Wiese machen sie das üblicherweise nicht. Auch Lilo blieb da fast von Anfang an mit am Futterplatz. Und Heu wird bei uns sowohl überdacht wie auch offen angeboten.
Liebe Grüße
Katharina :ms2:

Tiefseetaucher

  • Dino
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Gute Frage.  :frage: Ich könnte mir grundsätzlich schon vorstellen, dass sie Macken behalten können, diese aber jenachdem, wie natürlich und gut sozialisiert die neue Gruppe ist, schnell ablegen, weil sie normales Schweinsein vorgelebt bekommen.
"Eine Krise kann jeder Idiot haben. Was uns zu schaffen macht, ist der Alltag."

[Anton Pawlovic Cechov]