Autor Thema: Heftige Auseinandersetzungen zwischen zwei Damen, Kastrat klärt nicht  (Gelesen 8229 mal)

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ewe78

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Hallo zusammen,

ich bräuchte bitte nochmal eure Ratschläge in einer Sache, die uns schon seit Frühjahr beschäftigt, aufgrund eines Vorfalls gestern, herrscht hier nun aber wohl in Kürze echt Handlungsbedarf. Es geht um Zickenstreit zwischen zwei Damen und einen Kastraten, der hier leider nicht dazwischen geht.

Wo fange ich an, wie fasse ich am besten zusammen…?  Ich befürchte, es wird länger…

Meine Gruppe ist seit Ende Juni 2015 bei mir und besteht aus:

Kastrat Alfredo, geb 29.3.2015
Kein Frühkastrat, sondern mit 8 Wochen kastriert

Mathilda, Alfredos Schwester, also auch geb. 29.3.2015
Kleinstes, aber ranghöchstes Weibchen. Am Anfang war sie meinen Beobachtungen nach sogar Gruppenchefin, bevor Alfredo in seine Rolle gefunden hat. Eher ein Einzelgängerschweinchen bzw. hat gern ihre Ruhe.

Philomena, geb. 1.3.2015
Lieblingsweibchen von Alfredo, eine ganz liebe Maus, am rangniedrigsten denke ich, hält sich überall raus, so gut es geht.

April, geb. 14.4.2015
Größte Schweinchendame, hängt meistens mit Alfredo und Philomena zusammen, vom Rang her, zwischen Mathilda und Philomena.

Vielleicht liege ich mit meinen Beobachtungen und Deutungen bzgl. Rangordnung auch falsch und ihr seht beim Lesen sofort, daß das eigentlich alles ganz anders ist, aber ich hab einfach mal versucht, es so zu schreiben, wie es auf mich als Anfänger wirkt.

Das Problem liegt wohl auf der Hand, alle sind gleich alt : ( Obwohl ich alles richtig machen wollte und auch dahingehend informiert war, daß man keine paar wochenalten Babies zusammensetzt, war mir leider trotz allem entgangen, daß auch Schweinchen in dem Alter von 3-4 Monaten noch einen Erzieher über 1 Jahr brauchen. Ich war nicht festgelegt auf Babies oder Jungtiere und hätte durchaus auch ein älteres Tier genommen, wenn mich die Züchterin aufgeklärt hätte. Notstationen gibt es bei mir in der Gegend leider keine und ich dachte, beim Züchter werde ich dann gut beraten. Da bin ich jetzt natürlich auch um Einiges schlauer, daß das eben nicht immer der Fall ist.

Im ersten Jahr ging soweit eigentlich alles gut und ich war oft beobachtend da gesessen und hab mich an meiner ach so harmonischen Gruppe erfreut.

Im Alter von 1 Jahr haben April und Mathilda angefangen, sich zu zanken. Das läuft so ab, daß sie sich im Gehege irgendwo begegnen und anstatt sich aus dem Weg zu gehen bei 6,5qm (keine Engstellen, wo einer nicht mehr rauskäme), will keiner weichen, sondern es wird sich frontal voreinander aufgebaut, der Kopf hoch gerissen und mit den Zähnen geklappert. Sofort ohne Vorgeplänkel. April fängt dann meistens laut das Jammern und Quietschen an, geht aber erstmal nicht weg.
Mittlerweile findet das Ganze täglich mehrmals statt und gestern hatte Mathilda dann einen blutigen Riss im Ohr. Ich habe es nicht mit eigenen Augen gesehen, sondern kann nur vermuten, daß April, durch Mathildas momentane Schwächung angestachelt, versucht hat, ihr zu zeigen wo’s lang geht, um in der Rangordnung aufzusteigen.
Es gibt kein Gejage, kein Aufgereite, nur dieses Kopf hoch schmeißen und Klappern, so lange, bis einer endlich weggeht. Es findet nur zwischen den beiden statt und richtet sich niemals gegen einen anderen in der Gruppe, weshalb ich eigentlich nicht an Zysten denke, sondern daran, daß sie sich nicht leiden können UND auch nicht gut sozialisiert sind : ( Eigentlich denke ich sogar, daß nur April irgendwie auf dem Stand eines 10 Wochen alten Babys stehen geblieben ist, Mathilda wirkt wesentlich souveräner.
Was meine Schuld ist, das ist mir bewusst und ich hab daran zu Knabbern, daß mir dieser grobe Fehler passiert ist.
Nichtsdestotrotz liegen sie nach einer solchen Szene durchaus 10 Minuten später, mit einer Schweinchenlänge Abstand, nebeneinander unter dem Unterstand und dösen. Oder sie fressen nebeneinander weiter, als wäre nix gewesen.

Leider geht der Kastrat nicht dazwischen, im Gegenteil, er ignoriert vehement sämtliche Auseinandersetzungen zwischen den beiden. Wenn seine Philomena nur mal nen Quietscher macht, ist er aber gleich zur Stelle. Auch April hat Respekt vor ihm und spurt, wenn sie aufeinander treffen. Bei Mathilda und ihm, habe ich eher das Gefühl, daß sich das auf Augenhöhe abspielt, und ER Respekt vor IHR hat. Ansonsten brommselt er ordentlich, reitet auch gelegentlich auf alle auf, wenn sie brünstig sind. Aber nicht mehr so oft wie am Anfang oder ich sehe es nur nicht.

Ich habe die Problematik vor einiger Zeit mit einer netten Dame von einer Notstation besprochen. Aufgrund meiner Beschreibungen meinte sie, daß Mathilda und er eine Art Deal haben, (da sie das ranghöchste Weibchen ist und am Anfang wohl eben noch vor ihm war, als sie frisch zu mir gekommen waren) daß er sich bei ihren Angelegenheiten nicht einmischt und sie alles selbst regelt. Keine Ahnung, ob es so etwas wirklich gibt. Ihr Vorschlag war eine Trennung der beiden Damen, Mathilda rausnehmen und ihr einen liebevollen Partner gönnen.

Da ich mich aber auf meine Beobachtungen und die darauf basierenden Schlussfolgerungen nicht verlassen wollte, habe ich erst nochmal abgewartet und weiter beobachtet. Dabei wollte ich es mir nicht einfach machen, daß war es nicht, ich habe täglich rauf und runter überlegt, aber ich habe in meinem Kopf einfach nicht die beste Lösung für alle gefunden.

Folgende Gedankengänge:
Jede Trennung der Gruppe hätte automatisch zur Folge:
-weniger Platz für jede Einzelgruppe
-nur noch die halbierte Zeit und Aufmerksamkeit pro Gruppe
Aber wenn es keinen anderen Weg gäbe, dann soll es so sein.

Nehme ich nun Mathilda raus, weiß ich nicht, welche Art Kastrat ich ihr an die Seite stellen sollte. Einen starken, weil sie auch stark ist. Der ist dann mit einer Dame aber vielleicht unterfordert und sie gestresst. Nehme ich einen soften Kastraten, den sie dominieren würde, hätte ich wahrscheinlich irgendwann ein Zystenproblem. Eine Pärchenhaltung ist auch nicht wirklich artgerecht, wenn es nicht gerade die große Liebe ist, was sicher ein Sechser im Lotto wäre.

Nehme ich April raus, stellt sich auch hier wieder die Kastratenfragen. Und dann würde Mathilda in der Dreierrunde vielleicht trotzdem ein Einzelgänger bleiben, zwar ohne Gezicke, aber vielleicht nicht so glücklich.

Dann überlege ich, wo ich einen geeigneten Kastraten finde. Im Tierheim würde ich wahrscheinlich an einen ebenfalls unsozialisierten, vielleicht auch noch weibchenunerfahrenen geraten. Züchter geben ja v.a. die jungen Standard-Kastrate mit 3 Monaten ab, selten mal ein älteres Tier und in meiner Nähe gibt es eh nur 2 Züchter, darunter die von meinen Schweinchen. Züchter weiter weg versenden durchaus ja Tiere, aber wenn es dann mit der Vergesellschaftung nicht klappt, müsste ich das arme Tierchen ja zurücksenden und das Ganze von vorne probieren, nicht schön. Das Gleiche mit einer Notstation, falls sie sich überhaupt darauf einlassen würden, auf eine weitere Entfernung zu vermitteln.

Ich frage mich nun, ob es auch noch andere Möglichkeiten gibt, die man vorher noch probieren könnte, damit man alles ausgeschöpft hat, bevor man sie wirklich trennt.
Bachblüten? Eine Tierkommunikation mit den beiden Damen?
Wie schätzt ihr die Situation ein? Ist da noch was zu retten? Habe ich überhaupt alles richtig gedeutet?
Ich freue mich auf Eure Erfahrungen, Anregungen und Tipps. DANKE!!!




Saubergschweinchen

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Atme erstmal tief durch, so dramatisch ist das alles garnicht  ;)

Das Zauberwort heisst "Rappelphase", ja auch Weibchen machen die durch und wenn sie kein älteres Weibchen haben das mal mit der Faust auf den Tisch haut dann gibts auf die Mütze bis die erste nachgibt. Diese Phasen dauern umso schlechter die Altersstruktur der Gruppe ist.

Für das Verhalten des Kastrates macht es übrigens keinen großen Unterschied ob er mit 3 oder mit 8 Wochen kastriert wurde. Fällt für mich alles aus sozialen Gesichtspunkten unter "Frühkastrat".

Das Alter 1-1,5 Jahre ist bei den Weibchen immer recht heikel, ich beobachte das oft wenn ich spät verpaare und die Weibchen länger als ein paar Tage beim Bock bleiben, da geht eine Rückführung dann auch nicht ohne Trenngitter. Es ist ein Alter in dem die Konflikte zwischen Geschwisterweiben hochschaukeln und es eben auch mal Schrammen gibt. Hat man einen guten Kastraten dann merkt man das kaum...ich merk es nun deutlich. Aber hier ist der Unterschied das ich ein sehr starkes Alphaweibchen habe das dann dazwischenprescht und schlimmer faucht als die Kontrahenten.
Das fehlt bei dir, das wirst du aber nicht ersetzen können. Jetzt ein älteres Weibchen zusetzen wäre mir zu explosiv. Denn ehe die sich etabliert hat steigt der Stresspegel enorm.
Das sie danach nebeneinander liegen und ruhen ist ein gutes Zeichen, solange das so bleibt sehe ich keinen Handlungsbedarf...kitzlig wird es wenn eine immer panisch flitzt wenn die andere in die Nähe kommt oder sie bei jeder Begegung aufeinander los gehen.

Zitat
Ich habe die Problematik vor einiger Zeit mit einer netten Dame von einer Notstation besprochen. Aufgrund meiner Beschreibungen meinte sie, daß Mathilda und er eine Art Deal haben, (da sie das ranghöchste Weibchen ist und am Anfang wohl eben noch vor ihm war, als sie frisch zu mir gekommen waren) daß er sich bei ihren Angelegenheiten nicht einmischt und sie alles selbst regelt. Keine Ahnung, ob es so etwas wirklich gibt. Ihr Vorschlag war eine Trennung der beiden Damen, Mathilda rausnehmen und ihr einen liebevollen Partner gönnen.
Verhaltensbiologisch völliger Quatsch  :haha:
Aber niedlich gedacht...an Trennung würde ich aber noch nicht denken. Natürlich dürfen auch Meerschweinchen in der Rappelphase Konflikte ausfechten ohne das man sie sofort auseinander reißen muss.

Mein Rat - abwarten und vor allem entspannen, wenn du sie jetzt nur noch scharf beoachtest überträgst du deine Anspannung.

ewe78

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Danke Steffi, da fällt mir jetzt ein Riesenstein vom Herzen!!!

Ich hatte mir solche Vorwürfe gemacht, daß ich nicht früher reagiert hatte und Mathilda jetzt auch noch die Schramme davon tragen musste. Aber wenn es alterstechnisch eine heiße Phase ist, auch wenn sie noch Monate dauert, dann kann ich das mit dem Wissen so weiterlaufen lassen und mich dabei auch wieder entpannen. Es ist immer diese Unwissenheit, die einen bei sowas dann nervös werden lässt.

Sie raufen sich sicher wieder zusammen, wenn sie älter werden, denn sie flitzen nicht voreinander weg, im Gegenteil, manchmal hab ich das Gefühl, einer sucht absichtlich die Nähe des anderen oder man befindet sich aus Versehen plötzlich nebeneinander und dann geht's erst los: "Ach Du schon wieder, klapper klapper" : )

Bin so froh, daß ich nicht trennen muss und das jetzt mit anderen Augen sehen kann. Und Du hast natürlich recht, wenn ich gelassener werde dabei, dann überträgt sich das auch wieder auf die Tiere.

Schönes Wochenendeeee

Vio

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ich war mit der thematik völlig überfragt (thematik: nachträgliches erzieherschwein sinnvoll? scheinbar ja vermutlich so wie es sich anhört in dem fall ggf. doch eher kontraproduktiv), weshalb ich auch hier gespannt mitlas.
insofern: danke steffi auch von mir, weil ich das für mich zur information wichtig finde und liebe ewe, ich drück die daumen, dass bald ruhe bei dir in der klapperkiste ist  :fr:
*Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt.
Aber die ganze Welt verändert sich für dieses eine Tier.*

Liebe Grüße von Vio und der Schweinebande :mms:

ewe78

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Danke Vio :bussi:

Manu

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Hallo Ewe

Ich möchte dir kurz berichten, wie ich Rapelphasen und allgemein die Dynamik in meiner Gruppe erlebe:

Ich habe eine Gemischtgruppe von 13 Schweinchen: 3 Kastrate zwischen 8 Monate und 6 Jahre und 10 Damen im Alter zwischen 4 Monaten und 4 1/2 Jahren. Von den Weibchen sind 6 altersmässig relativ nah beisammen. 

Diese Rappelphasen sind mir nicht unbekannt, gerade im Moment durchläuft alle paar Monate eines oder  gleich mehrere meiner Schweinchen diese intensive Zeit zwischen 1- 1/2 Jahren. Sie testen dann sehr intensiv ihre Grenzen aus und versuchen sich teilweise auch an den ranghöchsten Tieren. Das geht von Popo schwenken über Aufreitversuche, verscheuchen vom Futterplatz bis hin zu kleineren Beissereien.
Beissereien passieren aber verhältnismässig selten, nämlich dann, wenn das jüngere Schweinchen einfach nicht aufgeben will und die Drohgebärden der Älteren wie Zähneklappern und leichtes Wegstupsen nicht begreift oder ernst nimmt. In den letzten drei Jahren gab es schon ein leicht eingerissenes Ohr, eine blutige Lippe und eine offene Wunde unter dem Kinn. Danach war die Reihenfolge aber geklärt und das unterlegene Schweinchen ordnete sich dementsprechend unter. Allerdings war nur die blutige Lippe die Folge von der Rappelphase- die anderen Wunden passierten beim integrieren von komplett unsozialisierten Schweinchen in meine Gruppe- aber auch da war das Muster das Selbe. Der Unterschied besteht halt einfach darin, dass meine Jungtiere schon von Kindesbeinen an in der Gruppe sind und die Drohgebärden eigentlich schon kennen- aber es trotzdem nicht lassen können, die Älteren weiter zu provozieren. Die unsozialisierten Meeris sind meist nicht mit der Körpersprache und der Dynamik einer (Gross)gruppe vertraut...

Ach ja, noch ein Wort zu meiner Gruppendynamik, auch im  Bezug auf die Männchen: Davon, dass die dazwischen gehen und Streitereien schlichten, kann ich nur träumen. Meine Herren sind (leider) eher passiv, mein "Boss" hat zwar das uneingeschränkte Sagen (wenn er sich denn mal einmischen würde)  und geniesst auch von allen Respekt, aber er zieht sich mit zunehmendem Alter mehr und mehr zurück. Auch mein zweiter Beinahe-Senior taugt nicht als Streitschlichter, er ist der neutrale Part. Einzig mein Junior weckt in mir leise Hoffnung, er geht schon mal brommselnd und Po schwenkend auf die Streithähne zu, aber im Moment ist er noch zu jung, um so richtig ernst genommen zu werden  :g:  Dafür habe ich zwei sehr dominante Weibchen die das Sagen haben. Aber selbst unter ihnen wird manchmal noch ausgetestet und "am Thron gerüttelt". Es natürlich schon eine grobe Hierarchie in der Gruppe, die "Ränge" sind dabei aber nie fix, sondern es gibt immer 2-3 Schweinchen auf der gleichen Stufe, die dann untereinander immer mal wieder klären, wer momentan mehr zu sagen hat. So erlebe ich das zumindest und es ist wahnsinnig spannend, wie komplex dieses Sozialleben aufgebaut ist.

Das wichtigste für Zweibein in den "kritischen Phasen" ist wirklich Ruhe zu bewahren, so schwer es auch fallen mag- die Schweinchen regeln das meist schon ganz gut allein :-) Es klingt jetzt vielleicht etwas hart, aber ich persönlich greife erst ein, wenn Blut fliesst und eine Wunde vom Arzt genäht werden muss. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Streitereien viel länger dauern, wenn man die Schweinchen dabei unterbricht.
Lg
Manu

Ein Freund ist ein Mensch, der die Melodie deines Herzen kennt und sie dir vorspielt, wenn du sie vergessen hast.

ewe78

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Vielen Dank Manu für diesen Einblick! Liest sich total interessant, das Großgruppenleben : ) Und da kriegt man wohl wirklich alle Facetten mit. Habe jetzt erst durch euch gelernt, dass 1-1,5 Jahre so ein Alter ist, in dem es brodeln kann. Dachte immer, mit 1 Jahr müsste alles Gerappel vorbei sein und dass es dann in einer Haremsgruppe super harmonisch sein müsste, wenn man alles richtig macht. Aber wie Du sagst, die Schweinchen werden es sicher von allein regeln, da hab ich jetzt Vertrauen dank Euch! Danke für Deinen Beitrag, ich bin so froh, hier zu sein :lieb: