Autor Thema: Alternative Antibiotika beim Meerschweinchen  (Gelesen 19342 mal)

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Vio

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Alternative Antibiotika beim Meerschweinchen
« am: 15. Januar 2019, 19:21 Uhr »
Ich mag hier einen Thread öffnen, in dem Alternativen zu dem Antibiotikum Enrofloxacin (unter den Namen Baytril, Enrobactin, Orniflox bekannt) beim Meerschweinchen genannt werden können.

Enrofloxacin wirkt leider nicht immer, gerade bei Atemwegsinfektionen kommt es scheinbar öfter zu Resistenzen (die natürlich immer passieren können, wenn Mikroorganismen einem Antibiotikum ausgesetzt sind - egal, ob es kurz oder lang gegeben wird) und dann wirkt es nicht mehr. Bei Lungeninfektionen ist daher nicht mehr Enrofloxacin, sondern Azithromycin bei vielen Tierärzten, die sich auf Kleinsäuger spezialisiert haben, Mittel der Wahl unserer Erfahrung nach.
Auch halten es viele Notstationen für Meerschweinchen/Kaninchen mittlerweile aufgrund der Erfahrungswerte so.

Viele Tierärzte wissen allerdings oft gar nicht, dass es auch noch andere mögliche Antibiotika als Enrofloxacin gibt.

Natürlich sollte ein Antibiotikum nie sorglos und ohne Grund oder bei Kleinigkeiten (z.B. einmalig ein Tropfen an der Nase oder kurzzeitige leichte Atemgeräusche aus der Nase) eingesetzt werden, da sind wir uns sicher alle einig. Ebenfalls muss man daran denken, dass man danach Immunsystem und Darm unterstützen muss, die beste Grundlage ist da sicher eine gesunde Ernährung der Tiere.
Aber manchmal muss leider ein Antibiotikum ran und dann kann es erst mal das Leben retten. Erst mal den Brand löschen - aufräumen kann und muss man dann nachher in Ruhe.

edit: da es zu gravierenden Fehldosierungen kam in letzter Zeit (durch Tierärzte - nicht, weil Halter selbst herumgedoktort haben...) habe ich die Dosierungen ergänzt, mit denen wir begleitet durch unsere Tierärzte gute Erfahrungen gemacht haben.

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Bitte wendet nie ohne vernünftige Diagnostik ein Antibiotikum an!
Ich schreibe das hier nur, damit man mit einer Anregung zum Tierarzt gehen kann und ihn um ein bestimmtes Antibiotikum als Alternative zu Baytril bitten kann. Der Tierarzt kann dann recherchieren und es euch verschreiben oder geben und auch die Dosierung nennen. Wenn nicht - da muss man manchmal einfach den Tierarzt wechseln...

Ich empfinde es als sehr einschränkende Sichtweise, dass viele Tierärzte nur Baytril bei Nagern und Kaninchen verwenden, wo es doch weitere wirksame und eben manchmal nötige Alternativen gibt...
Tatsächlich hab ich schon oft "naja, andere Antibiotika gibts ja nicht für Meerschweinchen!" beim Tierarzt gehört - das stimmt nicht! Viele Tierärzte denken auch immer noch, Meerschweinchen kippen bei Antibiotika und vor allem bei was anderem als Baytril gleich tot um oder bekommen Aufgasungen - auch das stimmt nicht.
Natürlich sollte man sich bewusst sein, dass - auch wenn ein Antibiotikum als gut verträglich gilt - die Verträglichkeit immer individuell ist und es zu Problemen kommen kann, je nach Gesundheitszustand, Haltung, Ernährung und Vorgeschichte des Tieres und auch je nach Krankheit. Wenn diese Nebenwirkungen schwerwiegend sind, muss man mit dem Tierarzt absprechen, ob man das Antibiotikum geringer dosiert einsetzt, absetzt oder wechselt.

Wenn in den ersten Tagen einer Antibiotikagabe kurzzeitig Durchfall oder etwas Appetitlosigkeit einsetzt, kann das auch daher sein, dass dies kommt, weil Antibiotika Mikroorganismen abtöten, die dann ausgeschwemmt werden und dabei entstehen auch Giftstoffe. Das fordert den Körper der Meerschweinchen sehr und kann anfangs vorübergehend zu solchen Symptomen führen, die aber dann meist nach wenigen Tagen abklingen. Man sollte das Antibiotikum dann daher auch nicht zu schnell absetzen, wenn es dem Tier nicht zu schlecht geht.
Sollte Erstreaktionen kann man durchaus durch eine zum Antibiotikum zeitlich versetzte Gabe von Gift-bindenden Substanzen wie Huminsäure, Heilerde, Apfelpektin abmilden. Man kann auch helfen durch Magen-Darm-heilenden Dinge wie Colosan (bei einer Aufgasung auch zusätzlich zum Colosan ggf. Simeticon) , Nadelhölzer, aromatische Saate, generell eine gesunde Ernährung mit vielen Gräsern etc.. Um dem Körper des Tieres etwas Zeit zu geben, kann man die erneute Gabe des AB durchaus auch dann mal um ein paar Std verzögern.
Eine Infektion zeigt ja schon, dass etwas nicht rund läuft bei dem Tier. Und gerade dann zusätzlich nach einem Antibiotikum sollte dann erst Recht um Entgiftung und Darmaufbau Gedanken machen. Wir halten das gerne so:
http://das-meerschweinchen-forum.de/index.php?topic=1452.msg21313#msg21313

Man kann auch vor dem Antibiotikum etwas Leinsamentee (das leicht schleimige Klare vom Tee, also nicht die Körner an sich - die kann man aber so zum Futtern anbieten) oder ein Öl (z.B. ein klein wenig Colosan oder Leinsamenöl oder Schwarzkümmelöl) vorher geben, vielleicht hilft das, Magen und Darm etwas zu schonen. Da bei Meerschweinchen der Magen ja in der Regel immer gut gefüllt ist, sollte das AB aber mit dem Mageninhalt vermischt werden und es auch ohne sowas okay sein. Aber Colosan, Schwarzkümmelöl, Leinsamentee etc. können dann zusätzlich auch gut für Magen und Darm sein und auch gegen die Infektion wirken.

Antibiotika wirken - wenn sie passen - in wenigen Stunden und spätestens nach 1-2 Tagen sollte eine Besserung zu merken sein. Hat sich nach 3 Tagen noch gar nichts verändert (eine kleine Besserung würde schon als erstes Zeichen zu merken sein müssen!), sollte man definitiv darüber nachdenken, dass Antibiotikum zu wechseln oder noch mehr Diagnostik betreiben, ob ggf. eine Grundursache der Infektion oder ein anderes Problem als eine Infektion vorliegt, die nicht durch ein AB besser werden kann (z.B. Krebsgeschehen oder bei einer Blasenentzündung ein Gebärmutterproblem). Für ein komplettes Abklingen der Symptome braucht es natürlich mehr Zeit bis hin zu 2-3 Wochen Antibiotika-Gabe je nach Krankheit und auch noch nach dem Antibiotikum kann es etwas Zeit benötigen.
Dennoch ist die erste Reaktion am wichtigsten, um zu sagen, ob das Antibiotikum passt. Es kann auch passieren, dass eine erste positive Reaktion einsetzt, aber die Krankheit sich danach nicht mehr bessert. Man sollte dem Tier dann dennoch erst mal das Antibiotikum weitergeben und - auch nach dem Absetzen dann - abwarten, wie es sich entwickelt. Ist die Lage immer noch nicht gut oder sogar weiterhin deutlich besorgniserregend oder verschlechtert sich der Zustand des Tieres nach dem Absetzen bald wieder, sollte dann ein anderes Antibiotikum eingesetzt oder eben mehr zusätzliche Diagnostik betrieben werden. Es kann sein, dass das erste Antibiotikum dann nur gegen einen Teil der Erreger geholfen hat oder die Erreger nur im Wachstum gehemmt, aber nicht getötet hat, so dass die Infektion sprunghaft wieder hochkochen konnte.

Natürlich ist auch gleichzeitig wichtig, dass Immunsystem zu stärken, die vielfältigen Ursachen (körperlich, psychisch und auch energetisch) für die Krankheit anzugehen - wir möchten ja eigentlich einen ganzheitlichen Heilungsansatz verfolgen und keine Symptomvertuschung durch Antibiotika - die aber eben manchmal leider nötig sind, um dem Tier Erleichterung und Zeit zu verschaffen.
Ebenfalls ist es einfach wichtig, dass vor dem Einsatz von Antibiotika eine richtige Diagnostik abläuft: z.B. sollte bei Blut im Urin immer zumindest geröntgt werden, um einen Stein in Blase oder Harnröhre auszuschliessen und im Zweifel sollte auch geschallt werden, um zu schauen, ob die Gebärmutter okay ist (und um ggf. nicht röntgendichte Steine auszuschliessen).
Auch bei Atemwegsproblemen sollte im Zweifel das Herz durch einen Herzultraschall untersucht werden, gerade wenn die Infektion durch Antibiotika nicht besser wird oder öfter zurück kommt oder wenn das Tier dabei auch an Gewicht zunimmt (Hinweis auf Ödeme z.B. durch eine Herzerkrankung, auf die sich in der Lunge dann auch gerne nochmal zusätzlich Infektionen setzen).
Usw. usw. usw. ... Leider liegt oft keine richtige Diagnostik vor und Tiere bekommen Antibiotika, obwohl es gar keine Entzündung ist oder die Ursache (z.B. Blasenstein) zuvor behoben werden müsste... Das ist immer etwas schade, weil das Tier so dann natürlich nicht gesund werden kann und gleichzeitig oft unnötig durch Antibiotika belastet wird.

Wir haben tatsächlich die Erfahrung gemacht, dass auch das Bauchgefühl Hinweise auf das passende Antibiotikum geben kann. Manchmal ist man einfach vom Gefühl her überzeugt, dass es ein bestimmtes Antibiotikum sein muss und genau das hat sich dann auch in der Regel hier als wirksam herausfes

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Wir haben bisher neben Baytril diese Antibiotika in Form einer oralen Gabe angewandt:

- Azithromyzin (Präparat Zithromax, Saft für Kinder; NUR von Firma Pfizer oder Ratiopharm, da andere Firmen für Meerschweinchen unverträgliche Zusatzstoffe verwenden wie Aspartam (in Azithromycin Saft von 1a Pharma oder Stada! Dieses Präparat nicht nutzen!!!)):
bei Ohrenentzündungen, Zahnentzündungen, Weichteilinfektionen und vor allem aber Atemwegsinfektionen, wo Enrofloxacin (Baytril) nichts bewirkt hatte und ein Herzproblem durch einen Ultraschall ausgeschlossen war; es ist in der Regel (es gibt immer Ausnahmen, ist ja auch ein AB!) gut verträglich.

Den Rest vom Zithromax kann man einfrieren und später verwenden! Am besten kleine Portionen in Spritzen aufgezogen einfrieren, so dass man diese immer wieder frisch auftauen kann. Angegeben ist eine Wirksamkeit von ca. 5 Tagen bei Raumtemperatur, unseren Erfahrungen nach schon 3-4 Wochen im Kühlschrank, aber bei Einfrieren und vor der Gabe frisch aufgetaut ist man auf der sicheren Seite.

In der Regel haben die Tierärzte Zithromax nicht in der Praxis, sie können aber ein Rezept ausstellen und Apotheken haben den Saft für Kinder (ist ein Pulver, dem man Wasser zufügen muss) meist vorrätig.

Azithromyzin wirkt (und da tun nur wenige AB!) gegen Clamydien und wir daher oft von Augen-Tierärzten verwendet. Bei tränenden Augen, gegen die nichts hilft und wenn andere Ursachen ausgeschlossen sind, sollte immer ein Test für Clamydien erfolgen. Kommt es auch noch zu deutlichen Atemproblemen (die sich zum Teil über Monate bis über ein Jahr verschärfen) und ist da das Herz als Ursache im Herzultraschall ausgeschlossen worden oder es hat sich zusätzlich eine Infektion gebildet, dann macht Zithromax natürlich auch ohne Clamydien-Test vorher Sinn, weil gegen die Lungenentzündung eh ein Antibiotikum gegeben werden muss.

Unserer Erfahrung nach wirkt Zithromax auch nur alle zwei Tage gegeben wegen der langen Halbwertszeit sehr zuverlässig, was bei Tieren, die es nicht gut vertragen, Magen oder Darm Probleme dadurch bekommen oder schon sowieso sehr krank/alt sind von Vorteil ist.
bei weniger schweren Erkrankungen wie verstopfter Nase (Lunge frei, Infektion der oberen Atemwege) sehr zuverlässig als (ist kein Versehen!) Einmalgabe. Es wird auch beim Menschen bei manchen Erkrankungen als Einmalgabe eingesetzt. Ich möchte keinen zum Experimentieren ableiten, finde diese Info aber wichtig und es gibt mittlerweile einige gute Erfahrungen mit Zithromax Einmalgaben in unserem Umfeld bei Meerschweinchen (natürlich nicht bei stärkeren Infektionen, Lungenentzündungen etc). Es sollte am Ende eh mit dem Tierarzt abgesprochen werden.

Dosierung Azithromyzin (Saft für Kinder von Pfizer 200mg/5ml):
Da es die Mikroorganismen sehr gut tötet und dabei anfangs dann in starkem Masse auch wohl Gifte frei werden, die der Körper erst mal verpacken muss, kann es anfangs oft zu Übelkeit, Fressunlust, Apathie, Bauchschmerzen führen. Daher macht es Sinn, dieses AB einzuschleichen, damit am Anfang durch Unterdosierung nicht alle Bakterien getötet werden.

Pro kg Körpergewicht wirken tgl 0,1 ml der Zithromax-Lösung (das sind 4 mg) sehr zuverlässig (laut Studien und Erfahrungen), viele TÄ lassen bis 0,7 ml tgl oder sogar 2x 0,6 ml tgl geben - das ist eine unnötige Überdosierung führt oft dazu, dass es diesen Meerschweinchen dann sehr schlecht geht.
Pro kg ist es so empfehlenswert, mit Einschleichen, damit die Erregerabtötung nicht so stark ausfällt auf einmal und sie dies besser kompensieren können:
1. Tag 0,02 ml (bei jedem Gewicht)
2. Tag 0,05 ml (bei jedem Gewicht)
3. Tag 0,1 ml (Dosierung für passendes Gewicht, hier Beispiel für 1 kg)
ab da alle 2 Tage 0,2 ml pro kg geben oder jeden Tag 0,1 ml pro kg. Wir haben gute Erfahrungen gemacht mit der Gabe alle 2 Tage, da dies Magen und Darm etwas zu schonen scheint und ausreichend wirkt wegen der langen Halbwertszeit von Azithromyzin.
Bereits 0,02 ml scheinen in manchen Fällen schon sehr deutlich wirksam (unglaublich, aber wahr...)! Kommt es beim Einschleichen des Zithromax schon bei 0,02 ml oder bei 0,05 ml pro kg zu Magen-Darm-Problemen, dann einen Tag Pause machen und diese Dosierung vorest beibehalten und erst auf 0,1 ml pro kg tgl steigern, bis es besser wird.

- Cotrimoxazol: Kombination Sulfamethoxazol und Trimethoprim (Präparat Cotrim K Saft: Saft für Kinder; Cotrim E Saft: Saft für Erwachse - Update Anfang 2022: Cotrim ist nicht mehr erhältlich, man muss in der Apotheke nun bei Eusaprim fragen, die Infos hier gelten alle auch für dieses Präparat):
z.B. bei Blasenentzündungen, aber auch Atemwegsinfektionen und Infektionen im Knochen, Magen-Darm-Problemen (z.B. starke Aufgasung ohne zu findende Ursache, auch schon unter anderen AB). Das ist in der Regel (!) gut verträglich.

Cotrim kann per Rezept verschrieben werden, scheint aber seit Neustem schwierig, weil es Retardon für Kleintiere gibt. Das ist ein ähnliches Antibiotikum, was aber als Wirkstoff lediglich ein Sulfonamid und kein Trimethoprim zusätzlich wie Cotrim enthält und unserer Erfahrung nach wirkt es leider nicht zuverlässig bzw. hat es bei anderen Haltern einfach schon zu oft nicht gewirkt, weshalb wir es noch nie probiert haben, sondern bei Cotrim geblieben sind.
Wir würden den Cotrim E Saft dem Cotrim K Saft vorziehen, da man davon weniger geben muss, weil höher konzentriert. So bekommt das Schwein dann auch weniger ungesunde und unnötige Zusatzstoffe - dennoch nutzen Tierärzte meist Cotrim K Saft...

Dosierung:
Cotrim: 48 mg/kg 1-2x tgl (Sulfamethoxazol 40 mg/kg + Trimethoprim 8 mg/kg)
Cotrim E Saft (480mg/5ml): 0,5 ml/kg 1-2x tgl (bei leichten Entzündungen und Kokzidien reicht eine Gabe einmal tgl)
Cotrim K Saft (240mg/5ml): 1 ml/kg 1-2x tgl (bei leichten Entzündungen und Kokzidien reicht eine Gabe einmal tgl)

Gleich bzw. ähnlich (anderes Sulfonamid) wie Cotrim sind folgende AB, nach denen man dann auch fragen kann:
- Borgal
- Eusaprim (Österreich, wie Cotrim K; seit 2022 auch in Deutschland)
- Nopil (Schweiz, wie Cotrim K)
- Sulfatrim (Niederlande)
- Cotrim forte und Kepinol forte (das sind dann beides Tabletten)
- Diatrim: Injektionslösung mit 200mg/ml Sulfadiazin und 40mg/ml Trimethoprim (Dosierung: 0,15 ml pro kg 1-2 x tgl).
- TSO-Tabletten für Hunde
-> Cotrim/Eusaprim K oder E Saft hat die beste Kombination der Inhaltsstoffe in Bezug auf die Halbwertszeiten, daher bevorzugen wir das gegenüber TSO Tabletten, Borgal etc..

Cotrim hält sich in der Regel, wenn man es nicht verunreinigt (und vor Nutzung immer gut schüttelt), sehr lange, bis zu 3 Jahren haben wir es bisher geöffnet im Kühlschrank gehabt und es hat gehalten und wirkte. Man muss gut damit umgehen dann und es nicht verunreinigen, da nach ca. 6 Monaten das Konservierungsmittel verfällt.
Ich gebe immer etwas vom Medikament in ein Döschen aus der Apotheke (die weissen Dosen mit dem roten Deckel ohne Weichmacher) und gehe mit der Spritze, mit der man dem Tier das AB ins Maul gibt) somit immer nur da rein, nie in die grosse Flasche. Solange ein Antibiotikum nicht ausflockt oder etwas drin rum schwimmt, sich die Farbe oder der Geruch ändern, verwenden wir diese weiterhin. Man kann also durchaus Reste aufheben.

Sulfonamide (Präparate: wie Sulfamethoxazol im Cotrim und Sulfadimethoxin Retardon) werden oft auch statt Baycox gegen Kokzidien verwendet, z.B. als das Präparat Kokzidiol oder eben auch Retardon.
Unserer Erfahrung nach ist Retardon nicht mit Cotrim vergleichbar in der Wirkung und wirkt oft nicht, leider fehlt da wirklich wohl Trimethoprim und es ist auch bekannt, dass Sulfonamide alleine eingesetzt schneller zu Resistenzen führen. Daher nutzen wir statt Retardon lieber Cotrim (E Saft). Wir haben gute Erfahrungen auch gegen Kokzidien, wobei diese oft als Begleiterscheinung einer Infektion auftreten, gegen die das Cotrim dann ja auch wirkt. Sollte das Cotrim nicht ausreichen bei Kokzidien und trotz Darmaufbau etc., würden wir dann eine Behandlung dieser Vecoxan dem Baycox vorziehen.

Cotrim wirkt oft ganz toll bei Darmproblemen, bei denen man keine Ursache findet, wie z.B. unerklärlichem Durchfall (da ist auch immer wichtig Röntgen und US und Urin- sowie Kotcheck) oder Aufgasungen nach OPs und/oder unter Enrofloxacin und anderen AB - man sollte aber zuvor, bevor man Cotrim auf gut Glück probiert, immer auch eine grosse Kot-Untersuchung machen lassen (Kokzidien, Hefen, Würmer, dazu aber auch Giardien, Protozoen/Einzeller, Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze - z.B. ein grosses Heimtierkotprofil Typ Diarrhoe bei Synlab oder Laboklin - Tierarzt bitten, dies so einzuschicken, kostet um die 50 Euro. z.B. dieses https://laboklin.com/lu/products/detail/kotuntersuchung-nager-parasiten/?r=1%2C122%2C271%2C137%2C451%2C453&cHash=66ed466f6dd560dc451dae51f18d4eaa).


- Doxycyclin (Präparat gleichnamig, Injektionslösung zum Eingeben):
(Für uns oral in der Regel keine Option, da Zithromax in der Regel vergleichbare Erreger tötet und deutlich besser verträglich scheint)
z.B. bei harnäckigen Blasenentzündungen. Ist oral möglich, auch wenn es in manchen Lehrbüchern noch anders steht, aber unserer Erfahrung nach ein "Hammer" und belastend für die Organe, dennoch oft dann erstaunlich verträglich bei manchen, bei anderen scheint es sehr zu belasten, sorgt häufig für Appetitlosigkeit (es ist halt ein starkes AB...). Andere Halter in den Niederlanden scheinen bessere Erfahrungen damit gemacht.
Wir nutzen es aber aufgrund unserer negativen Erfahrungen wirklich nur, wenn es keine andere Wahl gibt, also andere AB alle nicht geholfen haben oder aber ein Antibiogramm nur dieses als wirksam kennzeichnet. Das ist bisher noch nie vorgekommen mit Ausnahme von einem Blasenentzündungserreger (Arococuss viridans, Bestandteil der natürlichen Harnwege und deswegen manchmal als ein Erreger an sich verkannt), bei dem aber auch Chloramphenicol wirkte. Dieses ist in Deutschland nicht erhältlich, man kann aber durchaus irgendwie dran kommen.

- Marbofloxacincyl (Präparat: Marbocyl):
vergleichbar mit Enrofloxacin

- Pradofloxacin (Präparat Veraflox):
eine Art "Weiterentwicklung" von Enrofloxacin; nutzen wohl bisher eher wenige TÄ, bei der Dosierung sind sie sich daher auch mangels Erfahrungen noch nicht einig (wir haben es genauso wie Enrofloxacin dosiert), kann sonst aber wie Baytril verwendet werden. Bei Blasenentzündungen oft vielvesprechender als Enrofloxacin, vor allem in Kombination mit Cotrim bei chronischen Blasenentzündungen sehr gut, auch als dauerhafte Gabe in Extremfällen (ACHTUNG: meistens ist es bei einer chronischen Blasenentzündung ein nicht erkanntes Gebärmutterproblem!)

Dosierung:
Veraflox (25mg/ml)
5mg/kg-10mg/kg 1x tgl
dies entspricht 0,2-0,4 ml/kg (wir geben meist 0,3 ml pro kg)
sehr ähnlich zu Enrofloxacin

- Chloramphenicol :
für Meerschweinchen in Deutschland vom Markt genommen seit ein paar Jahren (Präparat Chlormycetin-Palmitat, dies war ein Saft), in Österreich und Schweiz noch erhältlich unter dem Namen Chloropal;

es wurde bei uns früher bei Gebärmutter-, Blasen- und Lungenentzündungen eingesetzt und in der Regel (!) gut vertragen
Für Vögel können TÄ es noch rausgeben: Chloramphenicol-N
Dies ist dann ein Pulver für Brieftauben mit 6,5g Pulver und muss per Feinwaage aufgeteilt werden (oder in einer Apotheke teilen lassen). 1g = 130,8mg Chloramphenicol. Dies macht 850,2mg.
Vom Chloramphenicol dosiert man beim Meerschweinchen in der Regel 20-50mg 2x tgl pro kg. Bei diesem Pulver sind dann 0,38 g entsprechend 50mg Chloramphenicol. Man kann diese Menge Pulver auf 0,5 ml Wasser geben und eingeben bei einer Gabe. Oder diese Menge Pulver auf 1 ml Wasser geben und dann morgens und abends je 0,5 ml (also die Hälfte) davon, was 25 mg Chloramphenicol entspricht.


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Es gibt weitere Alternativen, die wir aber nicht genutzt haben bisher:

- Metronidazol (vielversprechend gegen Einzeller z.B. als Auslöser von Blasenentzündungen, relativ gut verträglich, Dosierung ca. 20 mg/kg 2x tgl)

- Terramycin

- etc.

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Zu Enrofloxacin noch kurz zur Haltbarkeit: sowohl Baytril flavour für Katzen als auch die klare Injektionslösung und klare orale Lösungen (Orniflox/Enrobactin) zum Eingeben halten sich (wenn sie, wie erwähnt, nicht verschmutzt werden) unserer Erfahrung nach auch geöffnet durchaus Jahre. Wir hatten alles dabei im Kühlschrank, auch wenn dies nicht nötig sein muss und bei der Injektionslösung zur Kristallbildung führen kann (kann man dennoch noch einsetzen, wenn man im Notfall nichts anderes hat).

Enrofloxacin sollte (mit Ausnahme von Baytril flavour für Katzen) am besten immer verdünnt eingegeben werden. Es passiert aber nichts in Bezug auf Verätzungen, wenn man dies nicht tut (Infos dazu auch hier, vor allem im letzten Beitrag https://das-meerschweinchen-forum.de/index.php?topic=613.30)
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Mehr zu möglichen Antibiotika und auch Dosierungen sind hier in den Göbel-Macha-Listen zu finden, diese sind aber von 2008 und somit nicht aktuell und auch nicht vollständig:

Tabellen Medikamente für Nager und Kaninchen:
https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-2008-1081311

Tabelle Antibiotika für Nager und Kaninchen: https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-2008-1081311

Eine aktuellere Auflistung von Medikamenten, wo auch Antibiotika erwähnt werden:
https://www.thieme.de/statics/dokumente/thieme/final/de/dokumente/tw_tiermedizin/04_Mueller_Dosierungen_Meerschweinchen_Chinchilla_Degu.pdf



Die Angaben zu den Dosierungen in diesem Beitrag hier beruhen auf einer Kombination aus Angaben in veterinärmedizinischer Literatur, wissenschaftlichen Studien und unseren Erfahrungen (unser TA setzt z.B. eine deutlich geringere Dosis von Zithromax ein, als in einem Lehrbuch steht - das reicht aber völlig für einen guten Effekt, wird durch wiss. Studien gestützt und warum dann mehr als nötig geben, wenn wir seit Jahren so gute Erfolge haben).
*Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt.
Aber die ganze Welt verändert sich für dieses eine Tier.*

Liebe Grüße von Vio und der Schweinebande :mms:

ewe78

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Antwort: Alternative Antibiotika beim Meerschweinchen
« Antwort 1 am: 21. Januar 2019, 11:35 Uhr »
Danke für Deine Mühe Viola. Es ist toll, mal so eine Übersicht zuhaben.

Schweinchenmama

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Antwort: Alternative Antibiotika beim Meerschweinchen
« Antwort 2 am: 21. Januar 2019, 18:52 Uhr »
Ja, wirklich, du machst das schon so selbstverständlich, Vio :tippen:, dass ich ganz vergessen habe, dir zu danken, ich hab mir nämlich die Liste auch schon sehr interessiert durchgelesen  :peinlich:
Herzlichen Dank für die schöne Übersicht!  :herz2: :fr: :dank:

Vio

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Antwort: Alternative Antibiotika beim Meerschweinchen
« Antwort 3 am: 21. Januar 2019, 21:13 Uhr »
Gern  :-)
Mich frustriert, dass Antibiotika leider doch auch oft nötig sind. Ich bin eigentlich damit viel zurückhaltender als normal viele andere Halter damit und versuche wenn Zeit ist vorher auch Alternativen, aber dennoch klappt es nicht ohne bzw meiner Meinung nach muss ich zu oft AB bei den Schweinchen geben. Das macht mich wirklich sehr traurig!
Ich selbst kann mich nicht mal erinnern, wann ich AB genommen habe, definitiv über zehn Jahre her und auch in meinem ganzen Leben keine fünf Mal...
Ich hoffe, wir haben nun mehr Glück, wir hatten ja auch immer Ausnahmefälle. Und so sehr ich eigentlich AB-Feind bin, muss ich ja eingestehen, wie lebensrettend das richtige AB sein kann... Seufz...
Passt hier gar nicht her, aber mich hat es schon ein bisschen in einen Zwiespalt, hier die Liste zu schreiben, möchte nicht, dass manche dann anhand der Liste auf gut Glück rum experimentieren statt zum TA zu gehen oder AB leichtfertig einsetzen, obwohl nicht nötig. Daher auch die lange "Einleitung" :D .
Anderseits ist es nun mal ein Problem, weil viele Tä nur Enrofloxacin kennen und dann Tiere sterben, die durch ein anderes AB überlebt hätten. Hab da wieder eine aktuelle Geschichte im Umfeld und daran sieht man, wie wichtig das richtige AB dann doch ist 🤷🏼‍♀️

Letztens noch einen interessanten Link zu AB bei Kleinsäugern gefunden: Hier steht es auch, dass es Kleinsäuger nicht betrifft: https://vetline.de/antibiotika-bei-kleinsaeugern-was-ist-eigentlich-noch-erlaubt/150/4277/109180/

Da steht Nochmal, dass ein Antibiogramm vor einem AB bei Meerschweinchen nicht zwingend erforderlich ist (sicherlich aber manchmal ratsam). Und ebenfalls darf umgewidmet werden für Meerschweinchen und Co., wenn die Tierpharma das passende Produkt nicht stellt.
*Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt.
Aber die ganze Welt verändert sich für dieses eine Tier.*

Liebe Grüße von Vio und der Schweinebande :mms:

Käthe

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Antwort: Alternative Antibiotika beim Meerschweinchen
« Antwort 4 am: 22. Januar 2019, 13:49 Uhr »
Hallo Vio,

gaaaanz lieben Dank für Deine Mühe  :bravo:
Das ist ja toll und so ausführlich. Danke, danke, danke  :lieb:
Da haste Dir aber richtig viel Arbeit gemacht... heiligs Blechle...

Die Bedenken,  daß jemand gleich experimentiert, hatte ich auch im Kopf, als ich Dich darum gebeten hab.
Ich werde es mir ausdrucken und so kann ich beim Tierarzt einfach auch mal was anbringen.
Als Hotte so krank war mit der Lungenentzündung, hätte ich so vielleicht auf das andere AB hinweisen können. Und das ist es, wo ich denke, vielleicht hätte er es dann geschafft. Ich halte dieses Wissen für sehr wertvoll, da ich nun genug Erfahrungen bei Menschenärzten hab und meine Erfahrung mir sagt, daß es gut ist, zu wissen, was man hat und wie man da vielleicht vorgehen kann. Bei den TÄ ist es da auch nicht viel anders. Es ist halt immer gut vorbereitet zu sein, so sehe ich das. Man sollte den Ärzten (sorry, wenn ich jemandem auf den Fuß trete, aber es ist meine langjährige Erfahrung) die Chance geben, einen nicht umzubringen  :g:  kleiner Scherz
Nochmals ganz vielen Dank

motorradhasi

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Antwort: Alternative Antibiotika beim Meerschweinchen
« Antwort 5 am: 06. November 2021, 12:40 Uhr »
Tolle Auflistung und Erläuterungen!

Ich habe eine Frage zum Azithromyzin. Dabei wird immer wieder erwähnt, dass es angewendet werden kann, wenn Herzkrankheiten ausgeschlossen sind? Heißt das im Umkehrschluss, dass bei kranken Herzen das nicht angewendet werden sollte? Aufgrund welcher Inhaltsstoffe oder Wirkungsweise? Nur bei bestimmten Herzkrankheiten oder grundsätzlich?

Vio

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Antwort: Alternative Antibiotika beim Meerschweinchen
« Antwort 6 am: 06. November 2021, 13:50 Uhr »
Man kann Azithromyzin meiner Erfahrung und meines Wissens nach auch bei Herzerkrankungen einsetzen.
Ich selbst habe das bereits und auch in meinem Umfeld sehr oft :-)
Das hat augenscheinlich keine Probleme gegeben.
*Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt.
Aber die ganze Welt verändert sich für dieses eine Tier.*

Liebe Grüße von Vio und der Schweinebande :mms: