Autor Thema: Irritiert was "kein Schmusetier" eigentlich bedeutet  (Gelesen 5337 mal)

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VincentsDamen

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Irritiert was "kein Schmusetier" eigentlich bedeutet
« am: 14. März 2021, 13:27 Uhr »
Hallo ihr Lieben,

wir haben unsere Tiere jetzt seit 5, bzw. 3 Monaten. Die zwei Damen sind nun ca. 11 Monate und Vincent  ca. 4 Monate.
Alle drei waren zu Anfang sehr scheu. Das hat sich unheimlich gebessert. Wenn ich im Gehege zugange bin, habe ich ständig Schweinehintern im Weg. Aber nur Coco lässt sich zwischendurch gerne kraulen. Sie kommt aktiv auf mich zu. Fienchen bleibt manchmal "aus Versehen" sitzen und erträgt es dann bevor sie abhaut. Vincent mag gar nicht angefasst werden, krabbelt mir aber auf die Schippe, in die Tüte, oder in die Wanne mit Futter.

Zum Check  hole ich sie raus. Auf dem Schoss ist Coco auch entspannt, Fienchen erstarrt und Vincent tobt rum. Wenn er auf unserer Tochter rumkrabbelt sieht er aus wie eine Ratte. Nur Vincent frisst auf dem Schoss. Coco und Fienchen nehmen nur zaghaft Futter aus der Hand und nur im Gehege.

In Haltungsvideos wird immer wieder betont das Meerschweinchen keinen Kuscheltiere sind. Die Bilder zeigen aber meisst entspannte Schweinchen die sich kraulen lassen und fressen.

Mich stört es nicht. Ich habe zwei Hunde die der Meinung sind im Kleinkindalter festzuhängen und jede Gelegenheit für Körperkontakt suchen.

Aber müsste ich das mehr fördern? Ich biete ihnen beim Füttern oder saubermachen die Hand an. Coco mag manchmal, die anderen zwei halt dann nicht. Und den Check mache ich wie es passt, so ungefähr zwei mal im Monat.

Gruss vom

Reinigungspersonal


Narnia

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Antwort: Irritiert was "kein Schmusetier" eigentlich bedeutet
« Antwort 1 am: 14. März 2021, 21:57 Uhr »
Meerschweinchen sind im Vergleich zu den meisten anderen Säugetieren sehr schreckhaft und scheu. Zudem suchen viele nicht oder nicht oft den direkten Körperkontakt mit Artgenossen. Entsprechend sind die meisten Meerschweinchen, die zusammen mit Artgenossen gehalten werden kaum oder gar nicht am Schmusen mit uns interessiert.

Schweinchen, die alleine gehalten werden, sind ja, wenn man ihnen die Gelegenheit gibt, sehr anhänglich und lassen sich dann auch gerne streicheln. Ich vermute, das liegt daran, dass sie unbedingt Gesellschaft wollen. Wenn sie die nur vom Menschen und nur auf seine Art bekommen können, nehmen sie das lieber, als die Einsamkeit zu ertragen.

Wenn Schweinchen Artgenossen haben, mit denen sie sich gut verstehen, bekommen sie von denen alles oder das meiste, was sie an Nähe, Geborgenheit und Zuwendung brauchen. Manche Schweinchen lieben dann auch noch die Berührung von Menschen, aber daran müssen sie sich gewöhnen.

Und in dem Punkt frage ich mich auch immer noch, was zum Wohle der Schweinchen das Beste wäre. Ich erinnere ich immer noch an Katzen, die extrem scheu waren, einfach weil sie es nie gelernt hatten, von Menschen angefasst zu werden und mit ihnen zu schmusen. Diese Tiere waren sicherlich nicht glücklicher als diejenigen, die "zahm" geworden waren, durch intensiven und frühzeitigen Umgang mit Menschen. Katzen sind von Natur aus Einzelgänger, Meerschweinchen leben in Familienverbänden. Warum sollten Meerschweinchen nicht auch zum Menschen eine engere Beziehung aufbauen können als wir es heute oft haben?

Tatsache ist, dass Schweinchen, die wegen einer Erkrankung häufig herausgenommen und versorgt werden müssen, meistens sehr viel zutraulicher und entspannter dadurch werden. Das spricht m.E. dafür, dass es oft nur eine mangelnde Gewöhnung ist, wenn sie sich nicht angreifen lassen wollen.

Ich glaube, dass wir Menschen eine Bereicherung im Leben der Schweinchen sein können, wenn wir einen engen Kontakt mit ihnen pflegen. Wie weit wir da gehen sollten, hängt m.E. vom jeweiligen Tier, seiner Vorgeschichte, der Zeit bei uns und seinen Signalen uns gegenüber ab.

ewe78

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Antwort: Irritiert was "kein Schmusetier" eigentlich bedeutet
« Antwort 2 am: 15. März 2021, 14:04 Uhr »
Sehe ich auch so, wir sollten dabei sehr stark auf das jeweilige Tier achten. Ihre Charaktere sind unterschiedlich und was für das mutige, unerschrocken neugierige Schweinchen keine große Sache ist, kann für das scheue, ev. sogar früher traumatisierte Tier, Todesangst bedeuten : (

Ich habe tatsächlich das Gegenteil von dem erlebt, was Narnia schreibt. Selbst zutrauliche Tiere, wurden durch Intensivversorgung im Krankheitsfall auf einmal schreckhaft und ängstlich, teilweise wenn ich nur den Raum betreten hab. Sie haben sich von Mal zu Mal schwerer raus nehmen lassen und sich nicht mehr kraulen lassen, weil sie dachten, die Hand greift sie gleich wieder raus aus ihrer sicheren Umgebung. Bei von Natur aus sehr ängstlichen Tieren war alles noch viel schlimmer.

Was bei uns offensichtlich war: Gab es sehr sichere, dem Menschen zugewandte Tiere in der Gruppe, haben sich die anderen Tiere das aus der Hand fressen oder das sich kraulen lassen schnell abgeschaut. Je mehr sichere Tiere, desto schneller der Prozess beim ängstlichen Tier, ich durfte es sogar bei einem extreeem verängstigten Tier erleben, es war so ein Geschenk für mich! Alles ist also möglich, aber wohl von mehr Faktoren abhängig, als nur von unserer Zuwendung.

Es gibt Tiere, die für immer scheuer bleiben, egal wie sehr man sich um sie bemüht, einfach weil eben auch andere Dinge mit rein spielen.
Epigenetik ist da z.B so ein Stichwort, was das Tier im Mutterleib schon an Stress erlebt hat etc. Vio hatte hierzu im Forum glaub ich auch schon mal Verschiedenes geschrieben. Oder was das Tier mit der menschlichen Hand verbindet, was es in den ersten Wochen/Monaten seines Lebens erlebt hat...

Ich würde alles an Aufmerksamkeit und Zuwendung befürworten, was im Gehege passiert und bei dem das Tier seinem freien Willen Ausdruck verleihen kann, sei es durch vorsichtigen Rückzug, panische Flucht oder eben auch Zugehen auf den Menschen. Es ist auch wichtig, ihre Laut- und Körpersprache in solchen
Situationen richtig zu deuten, um ihnen nichts aufzuzwingen, nur weil sie sich gerade nicht trauen, davon zu rennen.
Früher dachte man, das Gurren wäre mit dem Wohlfühl-Schnurren bei Katzen gleich zu setzen und die Schweinchen würden es lieben, förmlich platt gestreichelt zu werden mit der flachen Hand. Heute weiß man, dass es ein Beschwichtigungslaut ist, der dem Menschen sagt: bitte hör auf, ich geb auf, ich geb nach, lass gut sein, beruhig Dich Mensch. Oder viele Halter freuen sich, wenn ihr Tier ihnen die Hand beleckt oder
dran knabbert, wenn sie es auf dem Schoß haben. Dabei heißt auch das: lass mich bitte runter. Passiert das im Gehege und das Schweinchen kann jeder Zeit weg, bedeutet es hingegen eher, mmh, schmeckst Du lecker salzig Zweibein oder was hast Du für Gemüse geschnibbelt, kann ich Deinen Finger auch essen?

Zeigen, dass Gutes aus der Hand kommt und auch die Berührung der Hand (mal mit einem Finger nur kurz und dann immer öfter und länger die Wange oder Nase berühren) nichts Schlimmes ist, waren bei uns immer die Erfolgsbringer, aber eben auch IMMER gepaart mit der Freiwilligkeit des Tieres.
Ich finde also, Du machst das genau richtig : )

LG
Elke