Unsere Meerschweinchen ~ Verhalten, Gesundheit & Pflege > Meerschweinchen sind Gruppentiere

Zu zweit lassen?

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Boverina:
Guten Morgen!
Ich habe eine ganz konkrete Frage an Euch Profis!

Sollen unsere Meerschweinchen Uwe und Jule zu zweit bleiben oder sind sie glücklicher mit einem dritten oder vierten Meerschweinchen?

Hier die Ausgangssituation:

Wir: Meerschweinchen-Anfänger aber viel Erfahrung mit anderen Tieren. Uwe und Jule sind seit zwei Wochen bei uns
.
Gehege: Innenhaltung, viel Auslauf (auch draußen)möglich, 2m x 1,5m, viele Häuschen

Uwe: aus schlechter Einzelhaltung, 1 bis 1 1/2 Jahre alt, kastriert, Texel, sehr unterwürfig, lässt alles über sich ergehen, frisst manchmal bereits aus der Hand, hasst Auslauf (sitzt dann ausschließlich im Häuschen), rangniedriger als Jule

Jule: aus großer Gruppe, war schon mehrmals Mutter, 3 1/2 Jahre alt, Ch-Teddy, zutraulich, zurückhaltend, ist ranghöher als Uwe, in ihrer alten Gruppe war sie in der Rangordnung sehr weit hinten, frisst problemlos aus der Hand

Die Vergesellschaftung von Uwe und Jule war absolut problemlos. Uwe läuft gerne hinter ihr her. Manchmal flirtet er auch, versucht sie zu besteigen. Jule verhält sich wie ein normales Meerschweinchen. Mal wird er ein bisschen getreten, oder aus dem Haus vertrieben, wenn es ihr zu viel und eng wird. Lässt ihn fressen, kein beißen usw. Am Anfang bestieg auch sie ihn manchmal. Jetzt nicht mehr.

Wir haben eine Vergesellschaftungs-Versuch hinter uns. Zwei Weibchen (Rangmäßig aus dem Mittelfeld, also keine dominanten, Glatthaar) aus einer Notstation hatten wir 24h bei uns. Danach habe ich abgebrochen. Ja, wir hatten da nicht alles richtig gemacht, heute weiß ich es bereits besser. ;-) Fakt ist aber, dass Jule und Uwe keine Chance gegen die Neuen hatten. Jule floh zum Glück und war geschickt, sie ist den Neuen ausgewichen, wurde aber auch ständig angegriffen. Uwe konnte sich nicht wehren. Ich hab abgebrochen, als er an der Wand stand (er floh nicht mal in ein Häuschen!!), er schrie und die zwei Neuen auf ihn einbissen. Zum Glück hat er so ein mega dickes Fell.

Gerne würde ich den beiden ein richtig schönes Leben ermöglichen!
Was denkt/wisst ihr, sind die glücklich nur zu zweit oder sollen wir ihnen 1 oder 2 Baby-Mädchen dazugesellen?

Vielen Dank für Eure fundierten Antworten!
 

Narnia:
Vielen Dank für die gute Beschreibung! Ich hatte schon befürchtet, dass Uwe unsicher sein könnte, wenn er aus Einzelhaltung kam. Immerhin finde es schon sehr erfreulich, dass er mit Jule friedlich zusammenlebt und die beiden anscheinend sich durchaus miteinander beschäftigen.

Ich bin kein Schweinchen-Profi - will aber unter diesem Vorzeichen meine Gedanken trotzdem schreiben: Ich würde den beiden und vor allem Uwe noch ein paar Wochen Zeit lassen. Bei allem Guten, was die Gesellschaft hat, ist es erst einmal vermutlich auch eine große Umstellung für ihn. Für Jule mag es natürlich eher einsam sein, wenn sie aus einer größeren Gruppe kommt. Aber auch sie hatte ja anscheinend kein leichtes Spiel mit den beiden Neuen. Beide müssen sich ja auch noch an Euch und die neue Umgebung gewöhnen.

Ich würde dann, wenn sich die beiden sicher und wohl fühlen, zwei junge Weibchen (max. 3 Monate) aus einer Notstation dazunehmen. Ein Junges alleine hätte keinen Spielgefährten und könnte auch nervig für die beiden Großen werden. Wenn die Jungen nicht sehr dominant sind, haben die beiden Großen einen Startvorteil, den sie vielleicht dauerhaft halten können oder eine der Kleinen übernimmt später, ist aber von Jule gut erzogen worden bis dahin.

Ein Voraussetzung für das Gelingen ist natürlich der Platz. Haben sie dauerhaft die 2 x 1,5 m? Und wie oft haben sie zusätzlich Auslauf? Ich vermute, sie können nicht selbst in den Auslauf, sondern werde von Euch dorthin gesetzt? Gerade am Anfang sollte es auch im Auslauf viele Tunnel und ähnliches als Deckung geben und Futter an verschiedenen Stellen verteilt sein.

Katharina:
Hallo, miteinander! :winke:

Wenn die räumlichen und finanziellen Möglichkeiten es erlauben, würde ich immer für eine etwas größere Gruppe plädieren. Meerschweinchen sind Gruppentiere und können sich nur in der Gruppe so richtig entfalten und wohlfühlen. Einen Partner zu haben ist zwar besser als ganz alleine zu sein - aber zwei sind eben noch keine Gruppe. Je größer die Gruppe ist, umso größer ist die Chance, dass jedes Tierchen darin auf seine Kosten kommt und auch Freundschaften schließen kann.

Zwischen Vergesellschaftung, Klärung der Rangordnung, Dulden und Akzeptanz, vorsichtigem Annäheren und tatsächlichem Miteinander bis hin zu engen Freundschaften kann der Weg sehr lang sein. Nicht jedes Meerschweinchen harmoniert mit jedem, zumindest nicht sofort. Es sind kleine Individuen mit sehr unterschiedlichem Charakter und je nach Veranlagung, Vorerfahrungen und Sozialisation wird es mit der Vergesellschaftung besser oder schlechter, schneller oder langsamer klappen. Vergesellschaftungsversuche werden häufig zu früh abgebrochen, weil wir als Halter nicht zugucken können, wenn es Raufereien gibt und ein Schweinchen ständig gescheucht oder drangsaliert wird. Ich saß schon Blut und Wasser schwitzend vor dem Gehege und bin fast vergangen vor Mitleid, wenn es mal heftiger zuging....über etliche Tage hinweg. Es gab aber auch absolute "Traumvergesellschaftungen", die schon nach ein paar Minuten oder Stunden erledigt waren.
 
Es gibt auch Meerschweinchen, die sich gar nicht mögen. Sie arangieren sich zumeist irgendwann mal miteinander, aber das Verhältnis bleibt immer etwas "spannungsgeladen" und stressig für die Tiere. In einer Gruppe kommt das weit weniger zum Tragen, weil die Tierchen da mehr Wahl- und Ausweichmöglichkeiten haben. Sind die Meerschweinchen aber nur zu zweit, sind sie für alle Interaktionen immer auf diesen einen Partner angewiesen, mit dem sie vielleicht nicht so gut harmonieren. Mehr als eine Zweckgemeinschaft kann das dann also nicht geben...es ist wie bei uns Menschen auch.

Noch ein weiterer Grund spricht für mich gegen die Paarhaltung: Sollte eines der Meerschweinchen versterben, ist das andere ganz allein. Dann muss sofort ein Ersatzpartner her, was in der Trauerphase für Tier und Mensch nicht einfach ist. In einer Gruppe kann man sich mehr Zeit lassen, wenn eines der Tierchen verstirbt und ist nicht so im Zugzwang. Ich habe auch schon öfter gehört, dass es recht schwierig sein soll, ein Meerschweinchen, das immer nur in Paarhaltung war, nach dem Tod des vorherigen Partners erneut zu vergesellschaften. Die Tiere seien zu fixiert auf einander gewesen; ein neuer Partner wurde nicht akzeptiert. Ob's stimmt, weiß ich nicht.

Das Alter der Tiere oder wie dominant sie sind, spielt m.M.n. für eine spätere harmonische Gruppensituation eine geringere Rolle als der Charakter, ihre Vorerfahrungen und ihre Eigenheiten. Sehr junge Tiere (Babies) werden sich meistens unterordnen, da wird es zumindest während der Vergesellschaftung wenig Probleme geben. Bei Meerschweinchen, die schon ein paar Monate alt oder älter sind, ist jedoch immer ein wenig Konfliktpotential gegeben. Ob für Jule, die wohl den Kastraten dominiert, sehr junge Tierchen die beste Wahl wären oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Vielleicht wäre auch ein ruhiges, älteres Weibchen gut für sie. Aber vielleicht blüht der Uwe auf, wenn ganz Kleine dazukommen, die ihn wohl nicht angreifen werden.

Boverina, ist dein Uwe vielleicht ein Frühkastrat? Weißt du in welchem Alter er kastriert wurde? Meine Kastraten wurden alle erst später kastriert und unterwürfig war von denen keiner, aber sie hatten unterschiedlich viel in der Gruppe zu sagen. Ich hatte hier schon dreimal die Situation, dass der Kastrat der Gruppe das deutlich jüngste Tier und das neu hinzukommende Meerschweinchen war und sich gegen meine alten "Flintenweiber" behaupten musste, die fast alle recht dominant sind, bzw. waren. Keine optimalen Bedingungen also, aber ältere Kastraten waren hier nicht zu bekommen. Die drei Kastraten waren im Charakter völlig verschieden, auch mehr oder weniger lebhaft. Die Vergesellschaftungen waren alle recht kurz und ziemlich heftig, meine Vierer- oder Fünfergruppe war dann aber immer sehr harmonisch. Fridolin war nie der Chef der Truppe, er wurde aber auch nie von den Weibchen dominiert. Besonders eng war er mit dem ältesten Weibchen befreundet, das die heimliche Chefin der Gruppe, aber weit weniger dominant als die offizielle Chefin war. Emilio wurde ganz offenkundig der Chef, Konrad auch. Besonders enge Freundschaften ergaben sich bei beiden mit einem der jüngeren Weibchen der Gruppe, die ausgesprochen dominant ist.

Ich finde es etwas problematisch für Uwe und Jule, :I wenn er von ihr dominiert wird und sich alles gefallen lässt. Das sollte so nicht sein, aber vielleicht habe ich deine Ausführungen auch missverstanden.

Haben die beiden Neuen Uwe richtig gebissen, oder "bloß" nach ihm gehackt? Ist Blut geflossen, oder war es weniger schlimm? Wann hast du die Vergesellschaftung abgebrochen? Ich habe keine Erfahrungen mit Kastraten, die sich von neu hinzukommenden Weibchen straflos attackieren lassen. Ich werte es aber als gutes Zeichen, dass Uwe zumindest geblieben und nicht die Flucht ergriffen hat. Hat er denn gar nichts gemacht? Nur geschrieen? Nicht auch wenigstens ein bisschen mit den Zähnen geklappert? Vielleicht wurde der Uwe als Baby zu früh von der Mutter weggenommen und hatte nie eine Möglichkeit von anderen Meerschweinchen zu lernen, wie sich ein Böckchen benehmen soll, weil er schon als Kleiner ganz alleine saß?

Ich kenne das so gar nicht, dass zwei neue Weibchen die anderen massiv angreifen....schon gleich gar nicht den Kastraten. Die Vergesellschaftung mit weiteren Weibchen, die zu uns kamen, war nie sonderlich problematisch, auch bei schwierigen Tieren nicht. Aber meine neuen Weibchen kamen eben auch immer in eine relativ stabile Gruppe hinzu und wurden i.d.R. einfach aufgenommen. Bis die endgültige Rangordnung feststand, dauerte es meist ein Weilchen, aber das lief ohne große Kämpfe ab.

Ansonsten schließe ich mich dem an, was Narnia schon geschrieben hat: Vielleicht mit weiteren Schweinchen besser noch ein wenig abwarten, bis Uwe und Jule sich heimischer bei euch fühlen und mehr Selbstvertrauen haben. Zu lange würde ich aber auch nicht abwarten, damit sich die in meinen Augen nicht ganz optimale Beziehung zwischen den beiden nicht einschleift.

Ganz grundsätzlich ist es m.M.n. so, dass bei einer Vergesellschaftung die Karten immer ganz neu gemischt werden. Ein dominantes Tier, das in der vorherigen Gruppe eher in der Mitte oder ganz unten in der Rangordung war, kann an einem neuen Wohnort und in einer anderen Gruppe durchaus versuchen, die Chefrolle zu bekommen, gerade deshalb, weil es die vorher nicht hatte. Auch den umgekehrten Fall gibt es: Ein als dominant beschriebenes Tier hat in der neuen Gruppe keine Chance sich durchzusetzen. Oder es gibt ein Tier, das in der alten Gruppe immer lieb und verträglich mit allen war und in der neuen Gruppe entwickelt es sich zum Rüpel. Meerschweinchen sind so sensibel. Ein Ortswechsel und der Wechsel in eine neue Gruppe kann sehr große Auswirkungen auf ihr seelisches Gleichgewicht haben und ihr Verhalten in der neuen Gruppe völlig anders sein als zuvor.

Bei einem Gehege in der Länge von deinem wäre ein frei zugänglicher Dauerauslauf eine feine Sache. Ist das bei dir möglich? Zeigst du dein Gehege und deine Schweinchen mal? :-)
 

Boverina:
Liebe Katharina und liebe Marina,

von Herzen Danke für Eure so ausführlichen Antworten!
Ich liebe es gerade in das Meerschweinchen-Thema einzutauchen!

In der Zwischenzeit ist viel passiert!
Nach Euren Anworten war mir klar, dass bei uns vier Meerschweinchen leben sollen.
Die Idee mit den etwas älteren und ruhigeren Tieren leuchtete mir ein!

Die Meerschweinchen-Notstation hier ums Eck postet eine etwas ältere, sehr gemütliche Dame. Ich fragte an, ob ich sie mir mal ansehen kann, denn in denn danke Euch wurde mir klar, dass vor allem auch der Charakter passen soll. Ich war also gewillt, mich auch ein bisschen auf mein Bauchgefühl zu verlassen. ;-)
Die Dame gefiel mir! 4-5 Jahre alt, US-Teddy, stark übergewichtig, etwa behäbig und sehr zutraulich. Also ich dann meinte, dass ich es mir mit ihr vorstellen könnte, wurde mir gesagt, ob ich nicht auch ihren Partner mitnehmen könnte (gleiche Eckdaten aber Kastrat).
Ja ich weiß, zwei Böcke sind nicht Ideal. Ich habe es langer mit der zuständigen Person besprochen und wir haben uns entschieden, es auszuprobieren. Immer mit der Option, die beiden zurückzugeben.

So sind nun seit drei Tagen auch Flora und Hector hier!
Und was soll ich sagen? Ich habe das Gefühl, dass es echt gut läuft!
Ich versuche alle wichtigen Punkte wie viel Futter, neutraler Boden, tagsüber sehr großes Gehege (nachts auch gut, aber kleiner), viele Karton-Häuschen mit zwei Ausgänge zu beachten.
Die erste Begegnung war gut. Dann kam ziemlich viel Streit und Jule wurde als das rangniedrigste auserkoren. Wurde doch auch ordentlich gescheucht. Weicht aber auch geschickt aus und passt gut auf sich auf.
Die drei andern machen es gerade unter sich aus, wobei die Böcke gut klar kommen. Flora ist da die Angriffslustigere.
In der Zwischenzeit haben wir aber schon viele friedliche Momente wo alle vier eng beisammen ihr Futter verschlingen oder zusammen unter einem Versteck sitzen.

Mein Plan ist, dass ich es weiter so probieren!
Ich werde Euch berichten, wie es weitergeht!

Und nochmals mega Danke für Eure Antworten!
Boverina

Narnia:
Uih, das ging aber schnell bei Euch!  :aug:

Ich hätte es mit zwei Kastraten, von denen einer Einzeltier und scheu ist, nicht gewagt. Aber vielleicht funktioniert es ja unter diesen besonderen Voraussetzungen trotzdem. Natürlich kann ich sehr gut verstehen, dass Du die beiden Tiere in der Notstation nicht trennen wolltest. Das finde ich auch immer hart, wenn sie sich gemocht haben und dann durch den ganzen Stress mit zweimal neuer Umgebung und auch noch Trennung müssen.

Ich hoffe sehr für Euch, dass die ungewöhnliche Kombination gelingt und alle glücklich werden miteinander. Bei der Konstellation könnte ich mir vorstellen, dass es auch in einige Tagen oder Wochen zu neuen Diskussionen oder gar Kämpfen kommen könnte. Beide Kastraten sind ja anscheinend nicht die Draufgänger, die sofort alles beherrschen wollen. Es könnte aber sein, dass sie, wenn sie sich heimischer fühlen und der Stress nachlässt, merken, dass da noch eine anderes Männchen ist, das einer zuviel ist. Es ist also gutes Beobachten aller Tiere in den nächsten Wochen wichtig.

Wir freuen uns auf weitere Berichte von Dir!

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