Autor Thema: Retrogrades Zahnwachstum  (Gelesen 15943 mal)

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ewe78

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Retrogrades Zahnwachstum
« Antwort 15 am: 09. Januar 2019, 14:02 Uhr »
(Edit: Posts zusammengeführt und Murx informiert, Gruss Vio :-) )

Hallo Murx,

Vio hat mir den Rat gegeben, Dich hier direkt anzusprechen, es geht um das Thema MSM bei retrogradem Zahnwachstum. Sie hat in Erinnerung, daß Du mal erwähnt hast, daß MSM in diesem Fall eher nicht geeignet ist.
Ist das so richtig? Hast Du vielleicht andere Empfehlungen?

Wir haben seit gestern die Diagnose, ist schon im Endstadium kann man sagen. Schweinchen frisst und verhält sich, als wäre nichts, hat erstaunliche 1430g, aber eine Zahnwurzel (ohne Abszess) ist durchgebrochen und hinter dem Auge. Eine Extraktion empfiehlt die Spezialistin nicht, da der gesamte Wurzelstatus katastophal ist.
Es kommt nur noch eine "palliative" Behandlung in Frage, meinte sie.

Die Kleine bekommt nun Metacam, CBD-Öl ist unterwegs. Und wir werden ihr noch ein paar schöne Wochen machen, bis sie nicht mehr futtern kann oder mag. Sie ist ein sehr ängstliches, aber selbst bestimmtes Tier, nimmt nichts aus der Spritze, mag keinen Brei usw. (vor 1 1/4 Jahren wurde sie zum Zahnschwein, daher wissen wir, wie sie sich verhält, im Extremfall beißt sie lieber zu, bevor sie sich irgendwie händeln lässt).
Ich bin gespannt, wie es werden wird : (

Liebe Grüße
Elke


Murx Pickwick

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Antwort: Retrogrades Zahnwachstum
« Antwort 16 am: 14. Januar 2019, 14:18 Uhr »
MSM hat eine nachgewiesene Wirkung auf einige Transkriptionsfaktoren, die mit dem Immunsystem in Verbindung stehen, und diverse weitere Moleküle, die eng mit dem Immunsystem verbunden sind. Beim retrograden Zahnwachstum ist das Immunsystem am Krankheitsverlauf nicht beteiligt - es schädigt höchstens sekundär das Immunsystem, weil der gesamte Körper durch das falsche Zahnwachstum geschwächt wird. MSM kann deshalb keine heilende Wirkung bei retrogradem Zahnwachstum haben.
Weiterhin ist das retrograde Zahnwachstum kein Problem eines Schwefelmangels, sondern ein Problem im Calciumstoffwechsel. Es entsteht hauptsächlich entweder, wenn viel zu wenig Calcium über einen längeren Zeitraum aufgenommen wird (beispielsweise bei den typischen Diäten, die TÄ bei Blasengrieß verschreiben) oder aber bei einem Ungleichgewicht Sonnenlicht/Vitamin D/Calcium, wie es typisch für Fertigfutter als Hauptfutter und Wohnungshaltung beobachtet werden kann.

MSM wird von artgerecht ernährten Meerschweinchen genügend produziert - es braucht nur supplementiert werden, wenn Tumore vorliegen, kann jedoch, wenn zuviel davon da ist, zu weiteren Stoffwechselstörungen führen, die dann wiederum das retrograde Zahnwachstum fördern, statt zu hemmen.

Als zusätzliches Schmerzmittel hilfreich ist Gewürznelke ... sie kann einfach im Heilmittelnapf mit angeboten werden. Die Meerschweinchen holen sich die Gewürznelke schon raus, wenn sie die als Schmerzmittel brauchen. Manchmal ist es sinnvoll, die Gewürznelke im Mörser zu zerstoßen, sie wird dann lieber gekaut, wie wenn sie im Ganzen ist. Offenbar sind die zerstoßenen Stücke nicht so spitzig, wie die ganze Gewürznelke. Es ist auch nicht zu befürchten, daß Meerschweinchen zuviel davon futtern, da sie das Eugenol deutlich besser im Darm abbauen (lassen) können, wie wir Menschen.
Ansonsten kann man beim retrograden Zahnwachstum kaum etwas tun, außer calciumreich und silikatreich füttern (viel Wiese, viel Wegrand, viel Gezweig, im Winter viel Möhrengrün, Kohlrabigrün, Fenchel, generell Kohl etc.) Weiterhin sollte die Nahrung möglichst grobfaserig sein, also ganze, frische Pflanzen, kein Industriefutter.
Eine besondere Bedeutung kommt bei der Fütterung Schachtelhalm bei, weil dieses seine Silicate in den Zellwänden einbaut, so daß auch im getrockneten Zustand ein stark schleifender Effekt auf die Zähne zustandekommt ... indirekt führt dieses Schleifen der Zähne dazu, daß das retrograde Wachstum gehemmt wird oder sogar zum Stillstand kommt. Allerdings wird im Alter (ab ca. dem 5./6. Lebensjahr) aufgrund der altersgemäßen Stoffwechselschwächen in vielen Fällen das retrograde Zahnwachstum wieder einsetzen, egal wie gut man ernährt, egal wie man behandelt. Eine Heilung gibt es nicht.

Vio

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Antwort: Retrogrades Zahnwachstum
« Antwort 17 am: 14. Januar 2019, 15:57 Uhr »
In jedem Fall interessant, danke!
Allerdings kenne ich ein paar Meerschweinchen, denen MSM augenscheinlich wirklich sehr gut getan hat bei retrogradem Zahnwachstum. Es wurde als einzige Komponente geändert und nach kurzer Zeit konnten die Tiere die Zähne wieder besser benutzen, einmal konnte sogar Metacam reduziert werden. Ich würde es daher nicht aussschliessen in solchen Fällen, vielleicht kennt man noch nicht alle Wirkmechanismen. Es wird behauptet, dass Menschen mit Osteoporose durch MSM eine stärkere Knochendichte bekommen hätten - ob das stimmt, kann man wohl nicht sagen.
Wenn man das Tier selbst entscheiden lässt, ob es das nehmen mag oder nicht, wäre das dann okay, es anzubieten?

Wie genau entsteht im Körper MSM? Ich konnte bisher dazu nichts finden, hab aber ggf. nicht gründlich genug gesucht aufgrund Zeitmangel.
Ich kenne es so, dass bei einem Überschuss dieser einfach wieder ausgeschieden wird - das scheint nicht so zu sein?
*Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt.
Aber die ganze Welt verändert sich für dieses eine Tier.*

Liebe Grüße von Vio und der Schweinebande :mms:

ewe78

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Antwort: Retrogrades Zahnwachstum
« Antwort 18 am: 21. Januar 2019, 11:50 Uhr »
Danke Murx und Viola. Ich seh schon, ich hab wenig Möglichkteiten noch...
Ich füttere calcium- und silikatreich, habe eine UV-Lampe (vor der alle weg laufen allerdings) im Sommer sind sie auch oft im Garten draußen. Es gab hier noch nie Fertigfutter, außer Erbsenflocken als Leckerli und das echt nicht übermäßig. Nelken hab ich im Napf, das mit dem zermörsern werden ich allerdings probieren und es hier so mal direkt auf dem Tellerchen anbieten. Schachtelhalm gab es im Sommer frisch, nun getrocknet, es rührt ihn aber keiner an leider.
April wird im April erst vier Jahre alt, Zahnschweinchen ist sie seit 1 1/4 Jahren. Der Schleifabstand war 6-7 Wochen. Also richtig gut. Niemals hätten wir gedacht, daß aus dem Nichts plötzlich vor zwei Wochen diese Diagnose daher kommt. Seither hat sich ihr Zustand aber nicht verschlechtert. Sie bekommt hochdosiert Meloxicam und ich hoffe, wir haben noch viel Zeit.