Ich denke zum Einen ist es Dominanzgehabe, aber es scheint ihr auch Spaß zu machen.
Ja - anderen Eines drüberzuziehen muß unbandig Spaß machen.
Ich habe das bei dominanten Meerschweinchen schon öfter beobachtet. Ein Runde rumstänkern und die anderen rumscheuchen und dann vor lauter Freude Bocksprünge machen, weil es geklappt hat und man wieder mal bewiesen hat, was für ein toller Kerl/tolles Weib man doch ist.
Ob das aber tatsächlich "Freude" beim überlegenen Tier ist, weiß ich nicht. Es könnte einfach auch nur der Energieüberschuß sein, der beim Herumjagen entstanden ist. Diese Rangordnungsgeschichten sind für die dominanten Tiere genauso anstrengend, stressig und aufregend wie für die unterlegenen Tiere, das darf man nie vergessen.
Jedenfalls: Solange Ljuba nicht wirklich beißt, steckt keine "beabsichtigte Aggression" dahinter. Jagen, knuffen, zwicken, Haare ausraufen und aufreiten - das ist ganz normales Dominanzgebaren, auch wenn es mal etwas derber wird und es auch mal einen blutigen Kratzer oder einen kleinen Ratscher auf der Nase gibt. Das war dann eher ein Versehen und nicht wirklich "böse" gemeint.
Was hat das Flummeli den armen Heinrich drangsaliert, als er zu alt wurde und abgedankt hat und sie die Chefin der Gruppe wurde. Sie hat ihm nicht wehgetan, aber ist ständig aufgeritten und der arme Kerl hat in den höchsten Tönen gepiepst und gejammert. Ein paar Tage lang ging das permanent so, bis Flummeli endlich der Meinung war, Heinrich hätte es nun aber auch ganz sicher kapiert. Er hat mir so Leid getan. Und er hat das alles - ohne auch nur im Mindesten etwas dagegen zu setzen - über sich ergehen lassen. Dabei war er früher so dominant und auch recht grob und rüpelhaft zu seinen Mädels, Clara gegenüber zeitweise auch sehr agressiv, aber das Verhältnis zwischen Heinrich und Clara ist nochmal eine ganz andere Geschichte, das war kein "Normalfall".
Als Lotte letzten Herbst neu in die Gruppe kam, war sie absolut panisch
- ich habe noch nie so ein ängstliches, halbwildes Meerschweinchen erlebt, wie es Lotte damals war. Und was tut dieses verschüchterte Tier in den ersten 5 Minuten im fremden Gehege? Geht rotzfrech hin und zwickt die arme, alte, kranke Clara in den Po. Lotte hat also
sofort gemerkt, wer gegenwärtig das schwächste Mitglied der Gruppe ist und entsprechend reagiert. Das hätte sie bei Heinrich, Zora oder Flummeli nicht versucht. Zum Glück blieb es bei diesem einen Zwicker von Lotte; Clara wurde dann wieder in Ruhe gelassen.
Fridolin hört jetzt erst - nach 5 Monaten! - so langsam auf, die kleine Lotte herumzuscheuchen. Er hat ebenfalls schon in der ersten Minute, als er Ende Dezember zusammen mit Berta in die Gruppe kam, messerscharf erkannt, dass ihn die drei älteren Mädels zwar akzeptieren und tolerieren, er sich da aber gut benehmen muß, sonst kann er bei ihnen nicht landen.
So richtig für voll genommen haben sie diese halbe Portion Fridolin da noch nicht. Nix mit dominieren. Aber bei Lotte hatte er eine Chance dazu. Er muß es ebenfalls sofort gemerkt haben, dass Lotte die jüngste und unsicherste in der Gruppe ist und dass sie sich von ihm scheuchen läßt....also hat er das auch gemacht....und wie! Es ging Lotte aber - trotz dem Stress, den sie dadurch hatte - nicht schlecht dabei und Fridolin hatte das Mäulchen immer fest zu, wenn er Lotte gejagt hat. Er hat ihr nie wehgetan. Bei Fridolin hatte ich auch das Gefühl, dass sein Verhalten Lotte gegenüber so eine Mischung von Flirten, Spielen und Dominanzzeigen ist - und dass er viel Spaß dabei hatte. Ein sehr einseitiger Spaß natürlich aus Lottes Sicht.
Einer hat halt immer "Pech" in der Gruppe und steht ganz unten in der Rangordnung. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass das rangniedrigste Tier darunter leidet. Im Gegenteil. Eine geklärte Rangordnung verhindert Streit und schafft Sicherheit, jedes Tier kennt seinen Platz und weiß, wie es sich zu benehmen hat. Ohne Rangordnung wäre das das Zusammenleben für unsere so sensiblen und stressanfälligen Meerschweinchen unerträglich.
Und wohl fast alle Meerschweinchen wollen in der Rangordnung instinktiv immer möglichst weit oben sein - deshalb verrutscht dann auch immer etwas, wenn ein Tier in der Gruppe alt oder krank wird, oder wenn eines stirbt oder neue Tiere mit in die Gruppe kommen.