Autor Thema: Kastrationsquarantäne - Sinn? Unsinn? Erfahrungen?  (Gelesen 12914 mal)

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Saubergschweinchen

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Kastrationsquarantäne - Sinn? Unsinn? Erfahrungen?
« am: 10. Juli 2014, 10:18 Uhr »
Aktuell beschäftigt mich der Sinn und Unsinn der Kastrationsquarantäne. Es wird ja überall recht unreflektiert die 6 Wochen-Regel verbreitet...doch ist diese Wirklich das Maß aller Dinge?

Unter Züchtern gibt es einige die schon eine Weile damit experimentieren. Sie setzen frisch kastrierte Böcke zu passenden Weibchen und schauen was passiert.
Eine Züchterin beschrieb nun das sie es seit zwei Jahren schon macht und mittlerweile schon mehrere Weibchen zusetzt ohne das irgendetwas passiert.
Nicht eine Trächtigkeit durch einen Kastraten in zwei Jahren finde ich schon beachtlich zumal sie auch viel kastrieren lässt. Auch andere Züchter beschreiben ähnliches, eine einzige hatte im Rahmen des Austauschs einen Kastrationswurf vorzuweisen der ca. zwei Wochen nach der Kastra entstanden sein muss.

Die Recherche ergab leider weniger als erhofft. Ich fand keine Primärliteratur sonders vorerst ausschließlich die Zusammenfassung einer einzigen Sekundärquelle.
Hier http://www.salat-killer.de/geschlecht/pl_kastra.html könnt ihr das nachlesen.

Was mich an der Studie schonmal stört ist das sie nur 15 Tiere umfasste.

Zitat
In einer Studie wurden 15 Meeris untersucht. Ein einziger Bock hatte nach 70 Tagen noch lebensfähige Spermien.


Was heisst "lebensfähige Spermien" wie wurde das festgestellt?

Viele Züchter sind mittlerweile auf eine Frist von 4 Wochen "abgestiegen", einfach aus der Erfahrung heraus das nichts passiert. Einige vergleichen das erfolgreiche Decken nach der Kastration mit dem "Kind trotz Pille", nicht unmöglich aber unwahrscheinlich.

Ich persönlich würde die obligatorischen 6 Wochen bei Altkastraten immer einhalten, ich habe damit aber auch keinen Stress weil ich verträgliche Böcke habe die während der Kastrafrist nie allein sein müssen.
Aber ich muss auch sagen das mich die Erfahrungen der anderen entspannter machen und ich das alles nicht mehr so verbissen sehe.

Ich habe ja nun einen frühen Kastraten (Kastragewicht 330g), die Hoden waren noch nicht komplett unten sondern in der "mal-da-mal-nicht-da-Phase", er zeigt noch kein Bockverhalten also wäre es rein theoretisch eine Überlegung ihn als Zweitkastrat zurück ins Bodengehege zu integrieren. Selbst wenn er schon geschlechtsreif gewesen wäre würde er sich ja zuerst einmal dem Altkastraten unterordnen müssen und selbst wenn er mal ein Mädel erwischt müsste er ja mit seinem (höchst unwahrscheinlichen) letzten Schuss auch wirklich treffen....was bei einem so jungen Tier ja nicht unbedingt wahrscheinlich ist.

Soweit die theorie, die Praxis traue ich mich nicht so recht aber wenn ich eben so lese das selbst bei Altkastraten das Risiko recht gering ist bin ich eben wirklich am Überlegen.

Was sind eure Meinungen und Erfahrungen?

PS: Ich setzte meine Recherche nach der Primärliteratur natülcih weiter fort.  ;)

Smoky

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Antwort: Kastrationsquarantäne - Sinn? Unsinn? Erfahrungen?
« Antwort 1 am: 10. Juli 2014, 13:20 Uhr »
Da gab es mal eine Umfrage...
Zwei (fast) eigene Erfahrungen habe ich dazu:

Ein Rosetten-Bub hat mal erfolgreich gedeckt, obwohl er 4 Wochen bei einem trächtigen Mädel saß und seinen letzten "Schuß" gut hätte loswerden können, es liefen dann 2 Ebenbilder von ihm in der Gruppe rum.
Die Besitzerin dachte, da kann doch nix mehr passieren. :pfeif:

Eine Züchterin gab mal einen Rosettenbub ab, der dann kastriert wurde. Dann entwickelte er sich aber wider Erwarten doch gut (irgendwelche Rosetten waren dann doch so, wie sie Züchter haben wollen), und der Paarungsversuch klappte dann für sie erfreulicherweise nach 4 Wochen noch, er saß derweil aber bei Jungs.

Ich hab dann sofort gedacht, vielleicht sind da Rosetterl besonders, aber in der Umfrage waren auch andere Rassen noch "erfolgreich"

Jedenfalls wären mir 4 Wochen zu riskant nach diesen Berichten von zuverlässigen Bekannten von mir.

Nun, ja, man kann es unter dem Mikroskop erkennen, ob die Spermien noch lebensfähig sind.
In meiner MTA-Ausbildung habe ich das, zumindest bei Rindern, gelernt.
Wie man allerdings ein Meerschwein dazu kriegen will  :frage:
Liebe Grüße
Tina

Böckchenliebhaberin

Saubergschweinchen

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Antwort: Kastrationsquarantäne - Sinn? Unsinn? Erfahrungen?
« Antwort 2 am: 10. Juli 2014, 14:54 Uhr »
Hast du einen link zu dieser Umfrage?
Denkst du echt an einen Zusammenhang mit der Rasse?

Die Züchterin die seit zwei Jahren nicht einen Wurf provozieren konnte züchtet Shelties und selbst die besten Zuchtböcke haben es als Kastraten zu nichts mehr gebracht.
Sie meinte schon das läge an ihrer gründlichen Tierärztin aber der OP Ablauf ist ja immer gleich und mehr als die Hoden entfernt auch der gründlichste TA nicht.  :frage:

Ich suche auch schon eine Weile krampfhaft nach anatomischen Infos zu Lage und Aufbau dieser viel beschriebenen "Samenblase", dort soll das Sperma ja ruhen.

Ich kann mir den Versuchsablauf nicht so recht vorstellen, sicher kann man das untem Mirkoskop beurteilen aber
1. Wie kommt man an das Sperma?
2. Kann man das dann pro Tier nur einmal beurteilen weil dann der letzte "Schuss" weg ist?
3. Was bedeutet "lebensfähig"....ich meine wenn da nach 10 Wochen noch die letzten Reste zuckend im Kreis schwimmen machen die ja auch keinen Schaden  :pfeif:

Auratus

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Antwort: Kastrationsquarantäne - Sinn? Unsinn? Erfahrungen?
« Antwort 3 am: 10. Juli 2014, 19:42 Uhr »
Würd mich auch mal interessieren, ich wurde überfallen, weil ich meinen Kastraten nach NUR FÜNF (!!!) WOCHEN zu meinem Weibchen setzen wollte...

Smoky

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Antwort: Kastrationsquarantäne - Sinn? Unsinn? Erfahrungen?
« Antwort 4 am: 10. Juli 2014, 21:20 Uhr »
War im andern Forum :g:

Rosetterl sind ja in mancher Hinsicht etwas eigen, und sehr quirlig, warum sollen dann nicht die Spermien auch quirliger sein?  :g:
Ne, aber daran kanns eher nicht liegen, bei mir warens halt zufällig zwei dieser Sorte

Es ist schon ein ziemlicher Unterschied zu sehen, wie die Kerlchen rumwuseln, aber bei Stieren kann ich mir so ne Art Kondom ja vorstellen, aber bei Meerlis  :frage:

Wenn die Spermien im Innern der Samenblase, also im Körperinnern gelagert sind, müssten sie doch aber eigentlich durch die Wärme dort auch kaputtgehen, drum liegen die Hoden ja außen, im Kühlen, sozusagen  :frage:

Nach meinen zwei mikrigen Erfahrungen wär ich höchstens weniger vorsichtig, wenn mir Nachwuchs nix ausmacht und bei jungen Mädels, wo sämtliche Risikofaktoren ausgeschlossen sind, ansonsten: ne, lieber 6 Wochen, es gibt schon genug solche kleinen Fellnasen
Liebe Grüße
Tina

Böckchenliebhaberin

Aika

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Antwort: Kastrationsquarantäne - Sinn? Unsinn? Erfahrungen?
« Antwort 5 am: 13. Juli 2014, 10:43 Uhr »
Ein Rosetten-Bub hat mal erfolgreich gedeckt, obwohl er 4 Wochen bei einem trächtigen Mädel saß und seinen letzten "Schuß" gut hätte loswerden können, es liefen dann 2 Ebenbilder von ihm in der Gruppe rum.
Die Besitzerin dachte, da kann doch nix mehr passieren. :pfeif:

Eine Züchterin gab mal einen Rosettenbub ab, der dann kastriert wurde. Dann entwickelte er sich aber wider Erwarten doch gut (irgendwelche Rosetten waren dann doch so, wie sie Züchter haben wollen), und der Paarungsversuch klappte dann für sie erfreulicherweise nach 4 Wochen noch, er saß derweil aber bei Jungs.

Ich hab dann sofort gedacht, vielleicht sind da Rosetterl besonders, aber in der Umfrage waren auch andere Rassen noch "erfolgreich"
Nein, das hat mit Rosetten natürlich nichts zu tun. Meerschweinchen sind Meerschweinchen, egal, ob die Haare kurz, lang, gekraust oder gewirbelt sind. Die "Rassen" bei Meerschweinchen sind ja nur unterschiedliche Haarstrukturen, mehr nicht.

Ich kenne auch einige Beispiele von erfolgreichen Paarungen. Ich habe einen Kastraten, der vorher in einem Bock-Duo lebte. Nach seiner Kastration setzte ihn die Notstation zu einem Mädel (Frühkastraten waren grad nicht verfügbar), das noch jung genug war für einen allfälligen Wurf. Und prompt war er noch deckfähig! Gemäss Rückrechnung des Wurfes konnte er 2 Wochen nach Kastration noch erfolgreich decken. Allerdings gab es nur 2 Babys. Mein Kastrat ist also stolzer "Kastraten-Papa!"

Von einer Züchterin weiss ich, dass ein Kastrat bei ihr nach 5 Wochen noch erfolgreich war, 1 Kind. Generell sind diese "Kastraten-Würfe" sehr klein, meist nur 1 - 2 Kinderleins, was eigentlich auch logisch erscheint bei der kleinen Anzahl an Spermien, die noch herumgeistern.

Diese 6 Wochen sind eine reine Vorsichtsmassnahme und mathematische Risiko-Abschätzung: Nach 2 Wochen ist die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Deckaktes vielleicht noch 60%, nach 4 Wochen 20 %, nach 6 Wochen 0 - 1%. Also wartet man besser diese 6 Wochen ab.

Viele Tierärzte sind da übrigens ziemlich unbekümmert und sagen den Besitzern, sie könnten den Neu-Kastraten nach 10 Tagen schon zu Mädels setzen... auf solche Ratschläge würde ich persönlich aber nicht hören. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Saubergschweinchen

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Antwort: Kastrationsquarantäne - Sinn? Unsinn? Erfahrungen?
« Antwort 6 am: 13. Juli 2014, 15:15 Uhr »
Zitat
Nein, das hat mit Rosetten natürlich nichts zu tun. Meerschweinchen sind Meerschweinchen, egal, ob die Haare kurz, lang, gekraust oder gewirbelt sind. Die "Rassen" bei Meerschweinchen sind ja nur unterschiedliche Haarstrukturen, mehr nicht.

Das würde ich so nicht 100%ig unterschreiben. Smoky hat schon ein bisschen Recht, es gibt durchaus rassespezifische Charakterunterschiede die eben auch Einfluss darauf haben können wie schnell Jungtiere die Geschlechtsreife erreichen und wie bockverträglich bestimmte Linien sind.

Gerade bei Rosetten ist es bekannt das sie besonders hitzköpfig sind und das sie sich in Bockgruppen teils schlecht unterordnen. Während man bei manchen Langhaarlinien selbst adulte Böcke problemlos vergesellschaften kann. Auch ein Grund warum ich mich für die Coronet´s entschieden habe.

Was mich noch besonders interessieren würde sind die Faktoren die die tatsächliche Geschlechtsreife beeinflussen. Es macht ja nicht bei 250g "Peng!" und der Bock deckt alles was ihm vor die Nase läuft  :nein:

Bei anderen Nagern ist es ja gut erforscht das die Anwesenheit der Elterntiere die Geschlechtsreife hinauszögert. Bei Rennmäusen bekommt nur das Alphapärchen Nachwuchs, die Hoden der Jungböcke entwickeln sich garnicht richtig bis man diese aus der Gruppe nimmt bzw. sie vertrieben werden. So arbeiten Züchter mit WFNZ mit Zuchtgruppen in denen die Jungtiere min. 6 Monate dabeibleiben. Über die Wintermonate pausieren die Weibchen sogar ganz sodass trotz gemischter Großgruppen keine Würfe fallen.
Sicher ist das so nicht direkt auf Meerschweinchen übertragbar, aber es ist dennoch sehr spannend.

Und ähnliche Abläufe wurden auch in Futtertierzuchten von Meerschweinchen beobachtet. Dort herscht nämlich keineswegs wilde Vermehrung wenn die Gruppe stabil ist und nicht ständig neue Tiere zusammengewürfelt werden.
Ich war erst neulich auf einem Fortpflanzungsseminar bei einer Dipl. Biologin/Verhaltensbiologin die in Zoos diese Futtertierzuchten und ihre Strukturen lange beobachtet hat. Sie hat erstaunliche Beobachtungen gemacht. Die Tiere verhalten sich sehr natürlich, es gibt Aplhaböcke mit ihren ranghohen Weibchen und rangniedere Böcke die beim geringsten Ansatz von Brommselein sofort in die Schranken gewiesen werden. Sie dürfen sich also nicht fortpflanzen, ebenso die rangnierderen, meist jungen Weibchen. Diese werden von den ranghohen Weibchen so gedrückt das sie teilweise nicht mehr brünstig werden. So ist die Fortpflanzung den ranghohen, starken Tieren vorbehalten. So hat die Natur sich das ja auch gedacht, denn kein Mini-Babyschwein wird sich in der Wildnis schonmal fortflanzen wenn es noch bei Mutti saugt.

Das sind wieder Argumente dafür die Jungen in großen Gruppen mit dominaten Kastraten aufzuziehen. Wenn eine dominante männliche Instanz über den Babyböcken wacht entwickeln diese sich evtl. nicht so schnell.
Einige Berichte über frühreife Böckchen habe ich mal unter die Lupe genommen, es betraf immer Jungtiere die in Weibergruppen oder allein mit der Mutter aufwuchsen. Hier muss die Natur zwecks Arterhaltung ja schon ein bisschen eher eingreifen.

Ich selbst habe sehr schön beobachtet wie die Babys auf die Mütze bekamen wenn sie spielerisch mit 2,5 Wochen herumbrommseln wollten. Da war mein Altkastrat sofort zur Stelle, und es war schnell wieder Ruhe.

Ihr dürft das bitte nicht falsch verstehen, ich würde keinem raten auf die Kastraquarantäne zu verzichten aber ich denke es spielen einige Faktoren mehr mit ein.

Ich bin mir z.B. mit meiner Tierärztin sehr einig das mein früher Kastrat (330g) zwar auf dem Weg zur Geschlechtsreife war aber die Ampullen an der Prostata, die das Sperma aufbewahren bei so einem jungen Tier noch garnicht ausgereift sind.
Ist das dann also noch Frühkastration? Ist der vom Kopf her denn schon soweit?
Das ist sicher sehr individuell aber ich werde es ganz sicher auch mal testen wenn der frisch Kastrierte nicht (wie in diesem Fall) einen Fehler hat.
Mein Bauchgefühl sagt, der deckt noch nicht bzw. ist so unerfahren das der Schuss (wenn er denn einen goldenen Schuss hat) eh im Fell landet.




Aika

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Antwort: Kastrationsquarantäne - Sinn? Unsinn? Erfahrungen?
« Antwort 7 am: 13. Juli 2014, 18:22 Uhr »
es gibt durchaus rassespezifische Charakterunterschiede die eben auch Einfluss darauf haben können wie schnell Jungtiere die Geschlechtsreife erreichen und wie bockverträglich bestimmte Linien sind.

Gerade bei Rosetten ist es bekannt das sie besonders hitzköpfig sind und das sie sich in Bockgruppen teils schlecht unterordnen. Während man bei manchen Langhaarlinien selbst adulte Böcke problemlos vergesellschaften kann.
Ja, ich weiss, dass das so Clichées sind, die herumgeistern, weil man sich optisch täuschen lässt.
Eine Rosette sieht nun mal "kecker" aus als ein sanftes Coronettli. Aber "Rassen" im Sinne wie bei Hunderassen sind die unterschiedlichen Haar-Varietäten nicht. Unter langem oder kurzem Haar steckt immer das gleiche Tier, nämlich schlichtweg ein Meerschweinchen. Ein Dackel und eine Dogge unterscheiden sich sehr stark im Aussehen und Verhalten, weil sie seit Jahrhunderten auf gewisse Merkmale und Fähigkeiten gezüchtet werden.
Meerschweinchen werden einfach auf Farbe und Haare oder nach Buntheit gezüchtet.

Es kann ja sein, dass es gewisse Linien gibt mit "sanfteren" Charakteren als bei andern, hängt auch von den Aufzuchts-Bedingungen ab. Wenn ein Rüpel zufälligerweise eine Rosette ist, neigt man halt dazu zu sagen "ja, ja, typisch Rosette." Man lässt sich halt vom Aussehen täuschen.
In meiner Jugendgruppe habe ich eine extrem ängstliche Rosette und eine rotzfreche Coronet-Dame... ;-)

Was mich noch besonders interessieren würde sind die Faktoren die die tatsächliche Geschlechtsreife beeinflussen. Es macht ja nicht bei 250g "Peng!" und der Bock deckt alles was ihm vor die Nase läuft  :nein:
Das ist eine schrittweise Entwicklung, die durch Hormone gesteuert wird. Ich bin überzeugt, dass ein kleiner Gernegross, der schon mit 200 gr herumstolziert und brommselt, noch keine reifen Spermien produzieren kann. Aber es gibt halt leider keinen fixen Anhaltspunkt, ab wann die kleinen Racker tatsächlich gefährlich sind ausser wenn die Hoden unten sind und auch unten bleiben. Spätestens ab diesem Zeitpunkt schiessen sie scharf.

Und ähnliche Abläufe wurden auch in Futtertierzuchten von Meerschweinchen beobachtet. Dort herscht nämlich keineswegs wilde Vermehrung wenn die Gruppe stabil ist und nicht ständig neue Tiere zusammengewürfelt werden.
Ich war erst neulich auf einem Fortpflanzungsseminar bei einer Dipl. Biologin/Verhaltensbiologin die in Zoos diese Futtertierzuchten und ihre Strukturen lange beobachtet hat. Sie hat erstaunliche Beobachtungen gemacht. Die Tiere verhalten sich sehr natürlich, es gibt Aplhaböcke mit ihren ranghohen Weibchen und rangniedere Böcke die beim geringsten Ansatz von Brommselein sofort in die Schranken gewiesen werden. Sie dürfen sich also nicht fortpflanzen, ebenso die rangnierderen, meist jungen Weibchen. Diese werden von den ranghohen Weibchen so gedrückt das sie teilweise nicht mehr brünstig werden. So ist die Fortpflanzung den ranghohen, starken Tieren vorbehalten. So hat die Natur sich das ja auch gedacht, denn kein Mini-Babyschwein wird sich in der Wildnis schonmal fortflanzen wenn es noch bei Mutti saugt.
Das finde ich einen sehr interessanten Ansatz!

In der Haustier-Haltung ist es leider meist nicht möglich, eine Gruppe einfach mal so zusammen zu lassen und zu schauen, was passiert. Ich stelle es mir aber sehr spannend vor, über eine längere Zeit mal so eine Gruppe beobachten zu können.
Ich bin auch überzeugt wie Du, dass in der freien Natur, bzw. in einer stabilen Gruppe mit unkastrierten Böcken, die kleinen Frechlinge wohl kaum je zum Zug kommen, weil sie der stärkste Bock bestimmt sofort unterdrückt und verjagt. Ausserdem sind die wilden Meerschweinchen natürlich nicht bereits mit 250 - 300 gr zeugungsfähig, das ist nur bei den Hausmeerschweinchen der Fall.
In freier Wildbahn werden die Kleinen ja vom ranghöchsten verjagt und müssen ausziehen (und werden wohl meistens von Raubtieren gefressen). Das ist dann die "natürliche Auslese."

Bei der Haustierhaltung könnten die jungen Böcke nicht ausziehen, weil alle eingesperrt sind, das wäre dann unglaublich stressig für alle. Die rangtiefen Böcke würden wohl bald krank werden und sterben, die ranghohen haben dauernde Kämpfe mit ähnlich starken Böcken, Beissereien sind an der Tagesordnung. Zuerst bilden sich Untergruppen, jeder Bock sichert sich ein paar Mädels in einem Territorium, aber früher oder später ist die Gesamtfläche dann auch mal zu klein für Untergruppen.
Ich kenne das aus mehreren Fällen, bei denen sich unkastrierte Böcke in einem Rudel "verstecken" konnten.

Von Mäusen weiss man, dass bei grosser Menge auf beschränktem Raum, wenn sie nirgends ausweichen können, die Anzahl der Nachzucht einfach begrenzt wird, es gibt dann gar keine Jungen mehr oder die Kleinen werden schon nach der Geburt aufgefressen, weil die Umweltbedingungen nicht stimmen für die Mütter.

Saubergschweinchen

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Antwort: Kastrationsquarantäne - Sinn? Unsinn? Erfahrungen?
« Antwort 8 am: 13. Juli 2014, 20:43 Uhr »
Zitat
Ja, ich weiss, dass das so Clichées sind, die herumgeistern, weil man sich optisch täuschen lässt.


Naja, wer mich kennt weis das ich kein Freund von Klischees bin, ich recherchiere gern so gründlich als möglich und so heben sich die, mir geschilderten, Erfahrungen von Rosettenzüchtern und Haltern eben doch deutlich von denen der Teddy oder Langhaarzüchter ab.

Der Trend geht auch bei vielen Züchtern zu großen Bockgruppen, das funktioniert vielmals erstaunlich gut nur die Rosettenzüchter haben durchweg nichts positives zu berichten. Sogar Frühkastraten funktionieren eben häufig nicht als Zuchtbockgesellschaft. Das finde ich in dem Sinne also schon bezeichnend.
Ich bin schon davon überzeugt das die Linien der Rosettentiere charakterlich anders ticken als einige andere Linien. Das unter jedem Fell das selbe Tier steckt ist richtig aber züchte ich mit aggressiven Tieren dann werden keine Lämmer entstehen.
Und wenn meine Coronetböcke sich blutig beissen würden dann ist das auch keine optische Täuschung  ;)

Zitat
Ausserdem sind die wilden Meerschweinchen natürlich nicht bereits mit 250 - 300 gr zeugungsfähig, das ist nur bei den Hausmeerschweinchen der Fall.


Naja, genaugenommen bestimmt schon denn die wiegen ja ausgewachsen viel weniger  :pfeif: (nich so ernst nehmen  ;))

Zitat
In freier Wildbahn werden die Kleinen ja vom ranghöchsten verjagt und müssen ausziehen (und werden wohl meistens von Raubtieren gefressen). Das ist dann die "natürliche Auslese."


Jein. Wenn das so ist wo sind dann die die nachrücken wenn dem Altbock etwas geschieht? Beobachtungen an Wildmeerschweinchen zeigen das die Jungböcke in kleineren Männer-WGs nahe den Gruppen leben, wenn sie alt stark genug sind "stehlen" sie sich ihre eigenen Weibchen und gründen ihren eigenen Harem. Sind es zu viele wandern sie in Gruppen ab.
Aber nie wird ein Jungtier umgehend und einzeln vertrieben.

Leider beziehen sich solche Beobachtungen meist auf Cavia aperea, wie wir ja aber heute wissen ist der nähere Verwandte unserer Hausmeerschweinchen Cavia tschudii. Hier fehlen leider gute Quellen über Beobachtungen des Verhaltens.

Zitat
Bei der Haustierhaltung könnten die jungen Böcke nicht ausziehen, weil alle eingesperrt sind, das wäre dann unglaublich stressig für alle. Die rangtiefen Böcke würden wohl bald krank werden und sterben, die ranghohen haben dauernde Kämpfe mit ähnlich starken Böcken, Beissereien sind an der Tagesordnung. Zuerst bilden sich Untergruppen, jeder Bock sichert sich ein paar Mädels in einem Territorium, aber früher oder später ist die Gesamtfläche dann auch mal zu klein für Untergruppen.


Ich denke das ist etwas zu pauschal, ja es kommt zu Rangkämpfen aber gerade weil die Kontraenten nicht weg können gegen diese gemäßigter von statten.
In der Verhaltensforschung gibt es einige wichtige Beobachtungen an Hausmeerschweinche in Mischgruppenhaltung.
Sachser hat eindeutig bewiesen das die Mischgruppenfähigkeit sehr stark an das Aufwachsen mit Böcken unterschiedlichen Alters geknüpft ist. Allerdings hat er auch "nur" mit einem Inzuchtstamm aus, vermutlich ohnehin sehr verträglichen Tieren gearbeitet.

Es wurde beobachtet das in einer stabilen Gruppe mit kräftigen Leittieren eine lineare Rangordnung unter den Böcken gibt und nur der Alphabock sich fortpflanzen darf.
Jungböcke werden in die Rangkämpfe einbezogen werden sobald sie Balzverhalten zeigen. Haremswächter werden Jungböcke aber frühestens mit 7-12 Monaten und einem Gewicht von 800g. Dann spalten sie sich ihre eigenen Weibchen ab und bilden einen Parallel-Harem.

Quelle: "Beiträge zur Ethologie des Hausmeerschweinchens Cavia aperea f. porcellus" Kunkel P, Kunkel I. (2010)

Sehr lesenswert dazu sind auch sämtliche Studien von Norbert Sachser. Mehr Wissen über das Sozialverhalten von Meerschweinchen geht fast nicht  ;)
Er hat auch eine Vergleichsstudie von Haus- und Wildmeerschweinchen gemacht, nur leider in der Annahme Cavia aperea sei die Wildform.

Zitat
Von Mäusen weiss man, dass bei grosser Menge auf beschränktem Raum, wenn sie nirgends ausweichen können, die Anzahl der Nachzucht einfach begrenzt wird, es gibt dann gar keine Jungen mehr oder die Kleinen werden schon nach der Geburt aufgefressen, weil die Umweltbedingungen nicht stimmen für die Mütter.


Ich kann nur für Mongolische Rennmäuse sprechen aber bei diesen ist das leider nur noch bei WFNZ-Stämmen zu beobachten. Teilweise pflanzt sich hier ein Pärchen nichtmal in einem Gehege unter 1qm fort. Die Farbzucht-Stämme vermehren sich auch in Schuhkartons, fügen sich schwerste Verltzungen zu und kämpfen bis zum Tode. Teilweise ist nichtmal eine Paarhaltung mehr dauerhaft möglich.


So, nun habe ich die Fachliteratur gewälzt, auf der Suche nach genauen Angaben dazu wo und wie lange die letzten Spermien aufgewart werden. Und welche Empfehlungen es sonst so gibt.

"Das Meerschweinchen als Patient" Ilse Hamel

Zitat
Hodenabstieg: 6. Lebenswoche
Geschlechtsreife: 4.-10. Lebenswoche

Der Besitzer ist darüber aufzuklären, dass Böcke noch bis zu 6 Wochen nach der Operation zeugungsfähig sein können.



"Heimtier und Patient" Birgit Drescher, Ilse Hamel

erwartungsgemäß das selbe ;)


"Leitsymptome bei Meerschweinchen, Chinchilla und Degu" Anja Ewirngmann, Barbara Glöckner

Zitat
Geschlechtsreife: 4-6 Wochen

Der Patientenbesitzer ist darauf hinzuweisen, dass das kastrierte Tier im Extremfall noch bis zu 6 Wochen deckfähig sein kann, da in diesem Zeitraum noch lebende Spermien in den ableitenden Samenwegen gespeichert sein können.


Leider auch nicht sehr präziese aber zumindest ein Hinweis.


"Krankheiten der Heimtiere" Karl Gabrisch, Peernel Zwart

Zitat
Geschlechtsreife Männchen: 3.-10. Lebenswoche

CAVE: Ein Meerschweinchenbock ist bis zu 6 Wochen nach der Kastration u. U. noch zeugungsfähig!




"Heimtiere in der Kleintiersprechstunde" Birgit Drescher (Merkblatt von VetMedLab)


Zitat
Die Hoden des männlichen Meerschweinchens liegen bei der Geburt noch abdominal und treten in der 6. Lebenswoche durch den Leistenkanal...Meerschweinchen haben deutlich ausgebildete akzessorische Geschlechtsdrüsen: Die zweigeteilte, bis 10cm lange, stark gewschlängelte, in die Beckenhöhle hineinragende Samenblase, die paarig angelegte Prostata sowie die Cowperschen Drüsen. Meerschweinchen werden im 3. Monat geschlechtsreif.

... dass das Meerschweinchen günstigstensfalls noch 6 Wochen post castrationem zeugungsfähig ist!



"Artgerechte Haltung - Ein Grundrecht auch für Meerschweinchen" Ruth Morgenegg

Als Frau des Erfinders der Frühkastration nehme ich Ruth Morgeneggs Buch auch mal mit zur Fachliteratur  ;)
Dort ist die 250g Grenze beschrieben, es wird von einer Geschlechtsreife in der 3. - 4. Lebenswoche gesprochen.

Erstaunlich finde ich dieses Zitat:
Zitat
Das Tier kann noch ein bis zwei Wochen über den Eingriff hinaus zeugungsfähig bleiben, in Ausnahmefällen auch etwas länger, weil sich noch Spermien in der Samenblase befinden.


Das erste Mal das jemand das "Speicherorgan" in einem Buch beim Namen nennt. Nun haben wir gelernt das die Meerschweinchen eine Samenblase haben und eine Quelle benennt diese als den Speicherort. Verwirrend ist nun wieder die eigentlich sehr schöne und quellensichere Seite von Frau Meier http://www.fraumeier.org/kastration.html
Dort ist von "Ampullen des Samenleiters" die Rede und nicht von der Samenblase und das obwohl diese auf der Abbildung wunderbar benannt wird.

Wir sehen also die Studierten sind sich absolut einig und wir nicht wirklich schlauer als vorher  :pfeif: